Waffenrecht als Spiegel
Zum Staatsverständnis in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
Diese Doktorarbeit kontextualisiert die Vorstellungen von „Staat“, die in den Waffengesetzen Deutschlands und der Vereinigten Staaten zum Ausdruck kommen. Als kulturwissenschaftlich-rechtliche Studie ermöglicht dieses Projekt aufschlussreiche Betrachtungen über grundlegende Vorstellungen in den Rechtswissenschaften. Insbesondere bietet sie eine sogenannte „dichte Beschreibung“ (C. Geertz: thick description) des äußeren Phänomens „Waffengesetze“, um das Verständnis für tieferliegende Phänomene und Vorstellungen zu erweitern. Die Geschichte der Waffengesetze und der „sozialen Imaginationen“ (C. Taylor: social imagineries), die sich um dieses Phänomen herum entwickelt haben, sind in beiden Ländern unterschiedlich. Ob in Bezug auf Eigentum und Selbstverteidigung, Gewaltmonopol und staatliche Schutzpflichten oder individuelle Freiheiten und Rechte auf Widerstand, die gebräuchlichen Übersetzungen der Worte und Begriffe sind nur vage Annäherungen an ein interkulturelles Verständnis. Das heißt, eine kontextualisierte Beschreibung optimiert unser Verständnis davon, was Deutsche und Amerikaner gemeinhin mit „Staat“ und „Regierung“ meinen.
Angesichts des Gewaltpotenzials von Waffen sind Waffengesetze ein wesentlicher Teil des öffentlichen Sicherheitsrechts, deren kulturelle Wurzeln mit vielen anderen Aspekten dieses Fachgebiets verflochten sind. Dieses Projekt ist im Wesentlichen der Forschungsachse der Abteilung Öffentliches Recht verbunden und reichert die vergleichende Rechtswissenschaft um eine explizit interdisziplinäre Perspektive an, welche ihre Ursprünge in der kulturwissenschaftlichen Rechtsanalyse und der Wissenschaft von kulturbewusster (oder: interkultureller) Kommunikation hat.
So treten in dieser Arbeit die Unterschiede zwischen den beiden Rechtskulturen schärfer hervor, aber es werden auch die gemeinsamen Vorstellungswelten, in denen wir ähnlichen Dilemmata gegenüberstehen, deutlich. Waffengesetze sind vor allem Antworten auf ein gemeinsames „Dilemma der Moderne“, nämlich den konfligierenden Bedürfnissen nach Ordnung und Freiheit. Jede kulturelle Ausformung der Versöhnung dieses Dilemmas bezieht ihre Plausibilität aus kontingenten historischen Ereignissen und deren heutiger Interpretation. Da wir uns immer in kulturspezifischen Vorstellungswelten befinden, kann eine sinnvolle interkulturelle Kommunikation in der Welt des Rechts und der Rechtswissenschaften nur durch eine Kontextualisierung der rechtlichen Begriffe auf beiden Seiten des Atlantiks gewährleistet werden.
Forschungsergebnis: | Dissertation an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (2016–2023) |
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Forschungsschwerpunkt: | 1. Grundlagen: Rechtstheoretische Fragen und dogmatische Strukturen |
Projektsprache: | Deutsch |