Nach der Istanbul-Konvention: Maßnahmen gegen häusliche und geschlechts­bezo­gene Gewalt in rechtsvergleichender Perspektive

Nach der Istanbul-Konvention: Maßnahmen gegen häusliche und geschlechts­bezo­gene Gewalt in rechtsvergleichender Perspektive

Das Phänomen der häuslichen und geschlechts­be­zoge­nen Gewalt gegen Frauen geht quer durch alle Gesell­schafts­schichten und Länder. So waren 2014 EU-weit 33% aller Frauen zwischen 18 und 74 in ihrem Leben bereits Opfer von körper­li­chen oder sexuel­len Übergriffen. Neben der körperlichen und sexuellen Gewalt haben Frauen aber in besonderem Maße auch unter psychischer, verbaler und wirtschaftlicher Gewalt zu leiden. Das Projekt nimmt sich eines verbreiteten Problems an, das schon seit Längerem Gegenstand öffentlicher Debatten ist und auf dessen Bekämpfung zahlreiche internationale Initiativen gerichtet sind.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, die rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit solchen Taten zu unter­su­chen und zu bewerten. Dabei soll der Schwerpunkt darauf liegen, den Opfern größtmöglichen Schutz zu gewäh­ren. Ergänzend hierzu findet aber auch die Frage, wie weit jeweils die Rechte des Täters reichen, Berücksichtigung. Inhaltlich soll ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt und neben den strafrechtlichen auch zivil- und öffentlich-rechtliche Maßnahmen berücksichtigt werden. Was das materielle Strafrecht betrifft, so sind neben allgemeinen oder spezifischen Straftatbeständen und Erschwerungsgründen auch weitere Fragestellungen relevant, wie z.B. das Erfordernis eines Strafantrags, die Verjährung oder die Möglichkeit der Strafaussetzung auf Bewährung.
Im Strafprozessrecht geht es zum einen darum, wie man eine sekundäre Viktimisierung des Opfers verhindern kann. Dies geschieht insbesondere durch Vermeidung des persönlichen Kontakts zwischen Täter und Opfer. Wichtig sind aber auch die Beteiligung und Unterstützung des Opfers im Strafprozess sowie eine ausreichende Kommunikation und die Beschleunigung des Verfahrens. Zum anderen dienen besondere Zwangsmaßnahmen wie die Entfernung aus der Familienwohnung oder Kontaktverbote sowie erleichterte Voraussetzungen für Festnahme und Untersuchungshaft dem vorläufigen Schutz des Opfers im Ermittlungsverfahren.
Dazu, dass das Opfer einfacher zu zivilrechtlichem Schadensersatz gelangen kann, dienen dessen erleichterte Geltendma­chung im Strafprozess oder Regelungen, die „belohnende“ Mechanismen wie die Verfahrenseinstellung oder die Aussetzung zur Bewährung von der Leistung von Schadensersatz oder sonstiger Wiedergutmachung abhängig machen. Außerdem sind Schutzanordnungen wie das Verlassen der Wohnung oder Kontaktverbote häufig auch im Zivilrecht verankert.
Die soziale und wirtschaftliche Unterstützung ist ebenfalls ein wichtiger Baustein zum Schutz von Opfern häus­li­cher Gewalt. Hier kommen Prozesskostenhilfe, die Finanzierung von Frauenhäusern und Hilfetelefonen, die ar­beits­rechtliche Freistellung von der Arbeit sowie die Anordnung von Geldleistungen durch den Täter in Betracht. Migrantinnen kann durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geholfen werden.
Schließlich ist auch der Bereich der Prävention wichtig. Neben allgemeinen und politischen Initiativen zur Sensi­bi­li­sie­rung, Fortbildung, Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen, Wiedereingliederung der Täter oder Da­ten­erhebung, sind (verwaltungsrechtliche) Schutzmaßnahmen außerhalb des Strafverfahrens von Bedeutung. Dies sind vor allem Notfallsofort­maß­nah­men der Polizei, wie die Entfernung aus der Wohnung oder der Ausspruch einer Verwarnung.
Methodisch verfolgt das Projekt einen rechtsvergleichenden Ansatz. Besonders interessant ist in diesem Zusam­men­hang die italienische Rechtsordnung. Das italienische Strafgesetzbuch von 1930 stammt aus der Zeit des Faschismus und enthielt zahlreiche sexistisch geprägte Regelungen, die erst spät und nach und nach reformiert wurden. Seit der Jahrtausendwende ist das Problem der geschlechtsbezogenen und häuslichen Gewalt – auch aufgrund der internationalen Vorgaben – in besonde­rem Maße in den Fokus des Gesetzgebers gelangt, der durch vier große und einige kleinere Gesetzespakete tätig geworden ist. Diese sollen als Referenz für die Prüfung die­nen, inwieweit Italien hier Vorbild für die deutsche Rechtsordnung sein kann. Ergänzend ist geplant, punktuell dort auch weitere Rechtsordnungen hinzuzuziehen, wo sie Besonderheiten oder interessante Ansätze aufweisen.

 

Forschungsergebnis: Buch
Forschungsschwerpunkt: II. Regulierung der intimen Beziehungen
Projektsprache: Deutsch
Foto: © ozgur_oral/Shutterstock_611179952

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