Staatliche Verantwortung im Hinblick auf die Verhinderung von Terroranschlägen

Die bisherige Rechtsprechung zum Terrorismus konzentriert sich vorwiegend auf den übermäßigen Einsatz von Sicher­heits­maßnahmen. Darin spiegelt sich sowohl die Bedeutung des Anliegens, den Einsatz von Gewalt einzu­schrän­ken, als auch die bedauerliche Häufigkeit der Überschreitung entsprechender Beschränkungen wider. Staa­ten können ihre rechtlichen Pflichten allerdings auch dadurch verletzen, dass sie nicht genug tun. So wertete der EGMR im Fall Tagayeva unzureichende Bemühungen hinsichtlich der Verhinderung von Terroranschlägen als Ver­let­zung des Rechts der Opfer auf Leben. Der Schutz der Bürger vor terroristischen Bedrohungen gehört zu den wohl elementarsten Aufgaben eines Staates – es handelt sich gleichsam um die Grundlage des staatlichen Autori­täts­anspruchs. Während die Rechte von Terrorverdächtigen und die Einschränkungen, die sie der Strafverfolgung auferlegen, gut erforscht sind, steckt die Rechtslehre in Fällen, in denen es um das Recht auf Schutz geht, noch in den Kinderschuhen. Dieses Projekt zielt darauf ab, unser Verständnis dieses „blinden Flecks“ zu erweitern, indem es nationale und internationale Grundrechte kritisch analysiert. Dazu soll in einem ersten Schritt zunächst der Um­fang der positiven Verantwortung eines Staates untersucht werden: Nach etablierten Grundsätzen ist ein Staat nur dann zu Schutzmaßnahmen verpflichtet, wenn er von einer unmittelbaren Bedrohung weiß oder wissen müsste. Darüber hinaus können Staaten nach herkömmlicher Auffassung, selbst wenn konkrete Informationen verfügbar sind, nur zu Massnahmen verpflichtet werden, zu denen sie überhaupt im Stande sind. Im Rahmen des Projekts soll zunächst untersucht werden, ob dieser traditionelle Ansatz möglicherweise zu eng gefasst ist. Daran an­schlie­ßend soll in einem zweiten Schritt beleuchtet werden, was es für einen Staat bedeutet, nicht in der Lage zu sein, den Terrorismus zu bekämpfen. Dabei sollen insbesondere Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen staatlicher Schutzfähigkeit und Souveränitätsanspruch betrachtet werden.

 

Forschungsertrag: peer-reviewed Zeitschriftenartikel zu Recht und Philosophie (2021–2023)
Projektsprache: Englisch

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