Ein neuer Ansatz zur Regulierung digitaler Medien

Ein neuer Ansatz zur Regulierung digitaler Medien

Das Internet und soziale Netzwerke haben die digitale Medien­land­schaft grundlegend ver­än­dert. In diesem Zuge hat sich die Dis­kurs­produk­tion auf neue Medien verlagert und ihre Struk­tur und Dynamik verändert. Diese neue Medienlandschaft zeichnet sich vor allem durch eine Verschiebung weg von einem auf „analoger Übertragung“ basierenden Kommuni­ka­tions­modell hin zu „Online-Partizipation“ sowie den Aufstieg „digitaler Intermediäre“ wie Google, Meta (ehemals Facebook), X (ehemals Twitter), Amazon oder Apple aus. Neben dem Rückgang der traditionellen Presselandschaft und einer Macht-Neuverteilung unter den digitalen Medien­vertre­tern geht damit auch eine neue, private Infrastruktur der Meinungsfreiheit einher, welche wiederum in einem tiefgreifenden Spannungsverhältnis mit früheren Regulierungsansätzen steht. Das Internet spiegelt diese strukturellen Spannungen in Form von immer weiter um sich greifenden problematischen Inhalten, darunter auch Hate Speech, Belästigung unter Nutzung von Bildern, Rassismus, Extremismus, Desinformation sowie Fake News. Darüber hinaus haben politische Kontroversen wie Brexit, die US-Präsidentschaftswahl von 2016 oder extre­mis­ti­sche Basisbewegungen – sowie die Coronavirus-Pandemie – den Ruf nach wirksamer Online-Regulierung verstärkt.
Traditionelle Regulierungsansätze greifen dabei nicht, denn weder die selbst auferlegten Nutzungs­bedingungen der Plattformen noch nationale, internationale oder supranationale Geset­ze sind bislang in der Lage, mit den rapiden technologischen Veränderungen und der Ver­brei­tung bedenklicher Online-Inhalte im Netz Schritt zu halten. Ein zunehmend besorg­nis­erre­gen­der Trend im Rahmen der Regulierung ist die Übertragung von Aufgaben der Online-Überwachung, -Zensur und -Durchsetzung durch den Staat an Unternehmen, die als digitale Intermediäre fungieren. Dieser Trend nahm seinen Anfang mit dem deutschen Netzwerk­durch­setzungs­gesetz (NetzDG) von 2017 und hält bis heute an, u. a. mit einem zuletzt von Kanada vorgelegten Online-Regulierungsmodell. Neben offensichtlichen Gefahren wie Kooptation oder kollateraler Zensur gefährden solche Regularien zunehmend die Grundrechte, darunter vor allem die Meinungs- und Pressefreiheit. Auch werden soziale Plattformen auf diesem Wege unfreiwillig zu mächtigen Hütern der Menschenrechte. Entsprechend gehört ein neuer Ansatz bei der Regulierung digitaler Medien zu den größten Herausforderungen und Aufgaben unserer Zeit.

 

Forschungsergebnisse: begutachtete Zeitschriftenartikel (2023–2026)
Projektsprache: Englisch
Foto: © Lightspring/Shutterstock.com

 

Publikationen

Stephenson, R., & Rinceanu, J. (2024). Differential Diagnosis in Online Regulation: Reframing Canada’s “Systems-Based” Approach. Eucrim - the European Criminal Law Associations' Forum. doi:10.30709/eucrim-2024-007
Stephenson, R., & Rinceanu, J. (2023). Digital Iatrogenesis: Towards an Integrative Model of Internet Regulation. Eucrim - the European Criminal Law Associations' Forum. doi:10.30709/eucrim-2023-007
Rinceanu, J., & Stephenson, R. (2022). Diagnosing Digital Disease. MaxPlanckResearch, 2022(3), 14–19.
Rinceanu, J., & Stephenson, R. (2022). Eine Diagnose digitaler Krankheiten. MaxPlanckForschung, 2022(3), 14–19.

Quelle: Journal MaxPlanckForschung, 2022(3).

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