Die Klimaproteste und das Strafrecht
Immer mehr Klimaaktivistinnen und -aktivisten entscheiden sich dafür, rechtliche Vorschriften zu brechen, um eine stärkere Aufmerksamkeit für ihre Klimaproteste zu erzeugen. Eine Reihe von Klimagerechtigkeitsbewegungen – so z. B. Last Generation, Extinction Rebellion und Ende Gelände – rufen explizit zu zivilem Ungehorsam und Protestaktionen mit Zwangswirkung auf, um auf die katastrophalen Auswirkungen der globalen Erwärmung aufmerksam zu machen. Sie versuchen, durch (un-)zivilen Ungehorsam Einfluss auf klimapolitische Entscheidungen zu nehmen. Von dieser Art von Klimaprotesten sind nicht nur öffentliche oder kollektive Rechtsgüter, sondern auch individuelle Rechtsgüter (Freiheit, Eigentum ...) betroffen. Einige der Rechtsverletzungen stellen – zumindest prima facie – sogar Straftaten dar, wie z. B. Hausfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung, Cybervandalismus etc. Im Kontext der heutigen fragmentierten Gesellschaften verwundert es nicht, dass die Handlungen der Klimaaktivistinnen und -aktivisten sehr unterschiedlich wahrgenommen werden: Während sie nach Ansicht einiger politischer Philosophinnen und Philosophen und vieler Klimaaktivistinnen und -aktivisten heroisch sind und einem echten Recht auf zivilen Ungehorsam entsprechen, sind sie für die meisten Juristinnen und Juristen tatbestandsmäßige Handlungen, die entsprechend bestraft werden müssen.
Dieses Forschungsprojekt verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll untersucht werden, ob bestimmte Klimaproteste, obwohl sie prima facie den Tatbestand einer Straftat verwirklichen, als rechtmäßig anzusehen sind. Hierbei handelt es sich um eine genuin strafrechtliche Frage, deren Beantwortung jedoch ein Verständnis der philosophisch-politischen Dimension der Proteste und ihrer Bedeutung in einem demokratischen Rechtsstaat erfordert. Insbesondere soll untersucht werden, ob die klassischen politischen Verfassungsrechte (Meinungs- und Demonstrationsfreiheit), der rechtfertigende (aggressive oder defensive) Notstand oder ein übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund des politisch legitimen Protests solche Taten rechtfertigen können. Zum anderen soll untersucht werden, ob und wie Straftaten im Zusammenhang mit Klimaprotesten bestraft werden sollten. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, ob Handlungen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten generell als Formen des zivilen Ungehorsams entschuldigt werden können. Als mögliche Entschuldigungsgründe kommen ein fehlendes Präventionsbedürfnis und Gewissensgründe der politisch motivierten Täterinnen und Täter in Betracht. Lassen sich beide Entschuldigungsgründe ausschließen, muss sich das Projekt mit der Frage auseinandersetzen, was dies für die Strafzumessung in Fällen von politischem Protest bedeutet. Sollten sich gemeinwohlorientierte Motive generell strafmildernd auswirken?
Das Projekt will konkrete Antworten auf die wichtigsten (transnationalen) strafrechtlichen Fragen geben, die durch die Zunahme strafrechtlich relevanter Formen von Protest gegen die Klimapolitik der großen westlichen Staaten aufgeworfen werden.
Forschungsergebnisse: | Fünf Aufsätze und ein Workshop |
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Forschungsschwerpunkt: | III. Strafrecht in fragmentierten Gesellschaften |
Projektsprachen: | Deutsch, Englisch, Spanisch |
Foto: | © iStock.com/Canetti_1483289802 |