
360º Virtual Scenario Method
Das Forschungsprogramm 360º Grad Virtual Scenario Method hat sich zum Ziel gesetzt, einige Mängel der herkömmlichen schriftlichen Szenario- (oder „Vignetten-“) Methode zu beseitigen. Diese immersive Methode basiert auf der Annahme, dass den üblicherweise verwendeten schriftlichen Szenarien kontextuelle Details fehlen und diese kaum die instinktiven und emotionalen Aspekte von Straftaten in der realen Welt erfassen können, die in der Regel während „aufgeheizter" und veränderter Geisteszustände auftreten. Außerdem kann die zehn- bis fünfzehnzeilige Erzählung des Standardszenarios die komplexe Realität realer Entscheidungssituationen kaum angemessen widerspiegeln und wichtige Nuancen sozialer Erfahrungen realistisch integrieren.
In diesem Programm werden die Probanden nicht gebeten, sich anhand einer kurzen Erzählung in eine spezifische Situation hineinzudenken, sondern sie werden stattdessen mittels eines virtuellen Szenarios vollkommen hineinversetzt. Das Forschungsprogramm 360º Virtual Scenario Method soll mittels verschiedener immersiver Szenarien in einer Bar ein Stimulus-Set validieren. Unsere derzeitige Forschung konzentriert sich auf die Wirkung von Emotionen und Affekten, konkret, Ärger und sexuelle Erregung, auf aggressives Verhalten und das Verhalten von Bystandern/Guardians. Darüber hinaus untersuchen wir mit Hilfe von Umfragen in VR und in Nachbefragungen, physiologischen Messungen und Eye Tracking die situativen und individuellen Charakteristika, die beiden Verhaltensweisen zugrunde liegen.
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Externe Projekte, bei denen MAXLab ABISS zur Anwendung kommt
Wenn Helfen seinen Preis hat: Untersuchung von altersgebundenen Unterschieden bei persönlichen Sicherheitsentscheidungen mit Hilfe virtueller Realität
Das Forschungsprojekt untersucht, inwieweit Altern einen Einfluss auf persönliche Entscheidungen beim Thema Sicherheit hat. Ein besonderes Augenmerk liegt auf prosozialen Szenarien, die mit einem Risiko verbunden sind. Zum Einsatz kommen die Virtual-Reality-Szenarien von MAXLab ABISS, bei denen Versuchspersonen in eine virtuelle Welt eintauchen und Zeuge einer immer weiter eskalierenden Belästigung werden. Sie sind aufgefordert anzugeben, ob sie beabsichtigen einzugreifen und ihre Entscheidungen zu begründen. Gleichzeitig zeichnen wir während des Virtual-Reality-Erlebnisses Denkprotokolle auf, die von KI-gesteuerten Tools zur Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) analysiert werden. So können nähere Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie die Teilnehmenden die Szenarien wahrnehmen, welchen Einfluss die Virtual-Reality-Methode hat, und ob es altersgebundene Unterschiede bei den Entscheidungsprozessen gibt. Das Projekt soll dazu beitragen, weitere empirische Daten an der Schnittstelle der Themen Alter, prosoziales Verhalten und Entscheidungsfindung in risikobehafteten Situationen zu sammeln. Zusätzlich tragen hochmoderne VR-Simulationen und KI-Analysen dazu bei, methodische Fortschritte zu erzielen und die ökologische Validität sowie die Präzision der Forschung in diesem Bereich zu erhöhen. Dadurch wird der Weg für künftige Innovationen in der Alters- und Verhaltensforschung geebnet.
Institution: Cognitive and Decision Sciences Universität Basel
Kontakt: Loreen Tisdall, loreen.tisdall@unibas.ch
Empirische Evidenz der aussagepsychologischen Methodik: Analyse der Aussagekonstanz und ‚Criteria-Based Content Analysis‘ mittels virtueller Realität
Aussagepsychologische Methoden, wie die Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse (Criteria-Based Content Analysis, CBCA) und die Konstanzanalyse sind, neben weiteren Analyseschritten, integraler Bestandteile rechtspsychologischer Sachverständigengutachten zur Prüfung des Erlebnisbezugs von Zeug:innenaussagen in Fällen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die empirische Evidenz dieser Methoden weist allerdings teilweise heterogene Befunde auf oder ist kaum bzw. nicht überprüft. Bislang stellte die empirische Überprüfung aussagepsychologischer Methoden Forschende vor das Dilemma, sich zwischen empirischer Kontrolle von Stimuli in Laborstudien und den Vorteilen der Generalisierbarkeit von Ergebnissen von Feldstudien entscheiden zu müssen. Die Konzeption experimentell kontrollierter Stimuli, die realen (sexuellen) Opfererfahrungen ähneln, sich für Versuchspersonen persönlich relevant anfühlen und somit hohe interne wie externe Validität gewährleisten, war bisher mittels traditioneller Methoden nur eingeschränkt möglich. Das präregistrierte Forschungsprojekt “Empirical evidence of statement validity methods: Analyzing mnemonic consistency and Criteria Based Content Analysis with virtual reality” (https://osf.io/vjt6f) nutzt das Szenario “Sexual Harassment” des MAXLab ABISS für die Untersuchung von Zeuginnenaussagen erwachsener Frauen im Kontext aussagepsychologischer Methoden und ihrer empirischen Evidenz.
Institution: Medical School Hamburg
Kontakt: Judith A. Iffland, Judith.iffland@medicalschool-hamburg.de

Soziale Interaktionen unter dem Mikroskop (Les interactions sous la loupe)
Sowohl Umweltfaktoren als auch genetische Faktoren beeinflussen die menschliche Entwicklung. Die QNTS (Quebec Newborn Twin Study), die seit April 1996 läuft, sammelt in diesem Zusammenhang Longitudinaldaten zur menschlichen Entwicklung von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. So soll besser zwischen diesen beiden Kategorien unterschieden und potenzielle Interaktionen zwischen Umwelt- und biologischen Faktoren identifiziert werden.
Gleichzeitig konnte in der Kriminologie etabliert werden, dass chronische Peer-Viktimisierung das Risiko einer erneuten Viktimisierung im späteren Leben erhöht (zum Beispiel an der Universität, im Beruf oder in romantischen Beziehungen). Solche Erfahrungen können zu dauerhaften Veränderungen in der neuronalen Reaktivität und der physiologischen Reaktion auf soziale Stressoren führen.
Vor diesem Hintergrund zielt das aktuelle Forschungsprojekt darauf ab, die Mechanismen genauer zu verstehen, die hinter diesen Schwierigkeiten stecken. Zudem werden persönliche und umweltbedingte Faktoren herausgearbeitet, die das Phänomen verstärken oder abschwächen könnten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler messen die Reaktion auf soziale Stressoren auf verschiedenen Ebenen:
- (Neuro)physiologisch (z. B. EEG, EKG)
- Hormonell (z. B. Kortisol)
- Subjektiv (z. B. PANAS-Fragebogen)
- Emotional (z.B. Gesichtsausdrücke)
Situationsgebundene und dispositionelle Faktoren werden mit der immersiven 360° Virtual Scenario Method und entsprechenden Szenarien, Fragebögen und physiologischen Messungen untersucht, um aufzudecken, wie bestimmte emotionale Zustände (z. B. Wut, Angst) und soziale Kontexte das Verhalten und die Stressreaktivität beeinflussen.
Institution: Research Group on Child Psychosocial Maladjustment at Sainte-Justine Hospital (Groupe de recherche sur l'inadaptation psychosociale chez l'enfant de l'Hôpital Sainte-Justine), Montréal
Kontakt: Mara R. Brendgen, brendgen.mara@uqam.ca

Die Verwendung von Virtual Reality zur Untersuchung von aggressivem Verhalten in einer Kneipe
Emotionen haben immer einen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Einige Emotionen wie die Angst können unsere Sinne schärfen und uns helfen, uns auf das Wesentliche zu fokussieren. Andere Gefühlszustände wie Wut dagegen können unser Urteilsvermögen verzerren und uns dazu bringen, uns auf eine Weise zu verhalten, die nicht in unserem Eigeninteresse liegt. Emotionen führen also zu bestimmtem Verhalten. Die 360Grad VR Methode bietet einen innovativen Zugang zur Erforschung des Einflusses von Emotionen auf kriminelles Verhalten.
In unserem Forschungsprojekt „360º Virtual Scenario Method“ legen wir den Fokus auf zwei kriminogene Emotionen: Wut und sexuelle Erregung. Um zu untersuchen, welchen Effekt diese Emotionen bzw. affektive Zustände auf die Entscheidung für ein Verbrechen haben, haben wir zwei virtuelle Szenarien entwickelt: in einem ersten Szenario soll überprüft werden, wie diese Zustände die Beteiligung an einer Kneipenschlägerei beeinflussen; in einem zweiten Szenario geht es darum, Faktoren zu untersuchen, die beeinflussen, ob man sich bei einem sexuellen Übergriff einmischt. Mithilfe dieser Szenarien wollen wir untersuchen, ob bestimmte Emotionen Reaktionen bei unseren Studienteilnehmern auslösen und ob diese Emotionen sie in der Folge dazu bringen, aggressive Handlungen zu begehen.
Institutionen: Sam Houston State University & Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht
Kontakt: Tim Barnum, t.barnum@csl.mpg.de, und Shaina Herman, s.herman@csl.mpg.de
Ausgewählte Publikationen
A Virtual Night Out - Der Einsatz von Virtueller Realität zur Untersuchung von aggressivem Verhalten
nach.
A Study of Virtual Bar Fights
In this episode Christopher Murphy sits down with Timothy Barnum to talk about good old-fashioned bar fights, with a particular emphasis on the emotions and heated decisions that can lead to them erupting. Tim explains how an immersive, virtual-reality scenario using 360-degree video is currently being used to better understand what really goes on in our heads during such intense decision-making encounters.