Computergestützte Rationalisierung der Strafzumessung

Computergestützte Rationalisierung der Strafzumessung

Obwohl die gesetzlichen Strafrahmen des StGB bundesweit gelten, besteht in der Sanktionspraxis und insbeson­de­re hinsichtlich der Strafhöhe eine erhebliche interregionale Varianz. Überdies ergeben sich – je nach besetzter Position und Berufserfahrung – innerhalb der Richterschaft Abweichungen in der Punitivität. Diese Phänomene sind auch im Ausland zu beobachten. Immer wieder gibt es deshalb den Ruf nach Vereinheitlichung. Die vom Bun­desgerichtshof geformte Spielraumtheorie ist zu diesem Zweck, wie die Praxis zeigt, ungeeignet; sie dient ohnehin lediglich dazu, die revisionsgerichtliche Überprüfung von Strafzumessungsentscheidungen einzugrenzen.
Der tiefgreifende Wandel unserer Gesellschaft durch technischen Fortschritt könnte einen Beitrag zu einer gleich­mäßi­ge­ren Strafzumessung leisten. In anderen Rechtsordnungen gab es immer wieder Bestrebungen, die tat­rich­ter­liche Strafzumessung zu strukturieren. So sind insbesondere im angloamerikanischen Raum seit den 1980er-Jahren zunehmend Strafzumessungsrichtlinien in Verwendung, über deren Einführung auch schon in Deutschland diskutiert wurde. Darüber hinaus wurden im Ausland, beispielsweise in den USA, bereits Computersysteme zur Entscheidungsunterstützung, wie Strafzumessungsdatenbanken zur Information, und Entscheidungsalgorithmen erprobt. Mit der Entwicklung selbstlernender Systeme könnte diese Entwicklung in Zukunft noch deutlich weiter gehen. Aktuell scheint eine vollständige Abgabe der menschlichen Entscheidungsgewalt im Strafprozess jedoch, jedenfalls in Deutschland, weder möglich noch erwünscht.
Im Fokus des Dissertationsprojekts stehen Möglichkeiten einer Teilrationalisierung des Strafzumessungs­vor­gangs. Ein solcher Eingriff in das bestehende System würde freies richterliches Ermessen reduzieren und wirft die Frage auf, welche Rolle der menschlichen Entscheidung in der Strafzumessung zukommen soll. Wenngleich mensch­li­che Entscheidungen fehleranfällig sein mögen, besitzen sie möglicherweise Charakteristika, die im Rah­men einer Rationalisierung des Strafzumessungsvorgangs erhaltenswert erscheinen. Bestenfalls ließe sich eine Synthese von computerbasierter Rationalität und menschlicher Letztentscheidung erreichen. Das Dissertations­pro­jekt stellt sich neben der Frage der technischen Umsetzbarkeit insbesondere grundsätzlichen vorpositiv­recht­li­chen Einwänden sowie positivrechtlichen Hindernissen.

 

Forschungsergebnis: Dissertation
Projektsprache: Deutsch
Foto: © Louis Reed/Unsplash

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