Geldstrafe ernst genommen
Obwohl sich die internationale wissenschaftliche Diskussion über den Begriff der Strafe immer noch fast ausschließlich auf Freiheitsstrafen konzentriert, zeigen Statistiken, dass die Hauptstrafe in den europäischen Strafrechtssystemen – zumindest in quantitativer Hinsicht – die Geldstrafe ist. In Deutschland beispielsweise sind etwa 80 Prozent der verhängten strafrechtlichen Sanktionen Geldstrafen. Die Geldstrafe hat gegenüber der Freiheitsstrafe erhebliche Vorteile: Sie ist eine weniger entsozialisierende Form der Bestrafung, im Vergleich deutlich kostengünstiger und obendrein einfacher zu handhaben. Außerdem kann mithilfe dieser Sanktion das Strafmaß auf Basis des Tagessatzsystems differenzierter an die Schuld des Täters bzw. der Täterin angepasst werden.
Trotz ihrer vielen Vorteile weisen Geldstrafen aber auch eine grundlegende Schwäche auf. Da es sich bei der Vollstreckung einer Geldstrafe nicht um ein persönliches, nicht übertragbares Gut (Leben, Freiheit oder körperliche Unversehrtheit), sondern in kaum zu übertreffendem Maß um ein übertragbares Gut (Geld) handelt, ist es relativ häufig der Fall, dass die verurteilte Person nicht dieselbe Person ist, die letztendlich die Last der Geldstrafe trägt. Man denke etwa an Firmen, die gegen ihre Mitarbeiter*innen verhängte Geldstrafen übernehmen, wenn jene zum Nutzen des Unternehmens Straftaten begangen haben. Ein anderes Beispiel sind Verurteilte, die für die Geldstrafe zwar aufkommen, aber die Kosten indirekt weiterreichen. Denn häufig werden in der Folge Ausgaben gekürzt, die den Lebensstandard der gesamten Familie beeinträchtigen. In beiden Fällen hört die Geldstrafe auf, eine persönliche Strafe zu sein, da das Subjekt, gegen das sich der Tadel richtet, und das Subjekt, das die Folgen der finanziellen Sanktion trägt, nicht identisch sind. Problematisch daran ist nicht nur die Ungerechtigkeit gegenüber denjenigen, die für ein Verbrechen leiden müssen, das sie nicht begangen haben; die Akzeptanz der Übertragung einer Geldstrafe auf eine dritte Person bedeutet auch eine Trivialisierung dieser Art von Sanktion und ist damit ein ernst zu nehmendes Hindernis für den sonst wünschenswerten fortschreitenden Ersatz von Freiheitsstrafen durch Geldstrafen.
Als Antwort darauf werden in diesem Projekt zwei Ziele verfolgt: Erstens soll untersucht werden, ob die Geldstrafe, wie von einigen Autor*innen vorgeschlagen, eine qualitativ andere Sanktion ist als die Freiheitsstrafe und ob sie folglich anderen Prinzipien unterliegen sollte. Hier stellt sich die Frage, ob es wirklich von Bedeutung ist, wer die Geldstrafe zahlt, oder ob es sich nicht von Vornherein um eine unpersönliche Sanktion handelt. Zweitens: Ausgehend von der Annahme, dass auch die Geldstrafe als personenbezogene Strafe zu konzipieren ist, sollen die rechtlichen Möglichkeiten zur Minimierung des Risikos der Abwälzung von Geldstrafen auf Dritte analysiert werden. Insbesondere steht dabei die Frage im Fokus, ob die Zahlung einer Geldbuße durch einen Dritten nicht sogar eine Strafvereitelung darstellen kann. Durch die Untersuchung der rechtlichen Grundlagen der (Geld-)Strafe und der Methoden zur Sicherstellung einer Nicht-Übertragbarkeit aus einer transnationalen Perspektive wird die Forschung zu zentralen Fragestellungen in der Agenda der Abteilung Strafrecht vorangetrieben.
Forschungsergebnis: | ein englischsprachiger und zwei spanischsprachige Artikel (2020–2021) |
---|---|
Forschungsschwerpunkt: | I. Grundlagen |
Projektsprachen: | Englisch, Deutsch, Spanisch |
Projektstatus: | abgeschlossen |
Foto: | © Aneta Pawlik/Unsplash |