Verschlusssachen
Die Beurteilung staatlicher Entscheidungsprozesse erfolgt durch die Wahrnehmung demokratischer Beteiligungsrechte. Eine effektive Entscheidung kann nur durch eine entsprechend umfangreiche Informationsgrundlage gewährleistet werden. Auf dem Weg zur Öffentlichkeit exekutiver Vorgänge stellt das 2006 erlassene Bundes-Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einen Wendepunkt dar. Es steht für die Ablösung des Prinzips der beschränkten Aktenöffentlichkeit, indem es einen allgemeinen, materiellrechtlich voraussetzungslosen Zugangsanspruch zu staatlichen Informationen sichert. Allerdings verbleibt ein Mittel, um Informationen in den Händen der Verwaltungsbehörden der Öffentlichkeit zu entziehen: die Einstufung als Verschlusssache. Deren materielle Voraussetzungen sind auf parlamentsgesetzlicher Ebene (Sicherheitsüberprüfungsgesetz) in hohem Maße unbestimmt. In prozeduraler Hinsicht finden sich Regelungen nur in Form einer Verwaltungsvorschrift (Verschlusssachenanordnung).
Die rechtswissenschaftliche Forschung berührt die Verschlusssachendogmatik höchstens mittelbar. Einflüsse auf das Informationsfreiheits- oder das Archivrecht generieren punktuelle Diskurse über Reichweite und Legitimität exekutiver Geheimhaltung. Systematische, am Regelungsrahmen der Verschlusssacheneinstufung ausgerichtete Forschungsarbeiten fehlen. Es ist daher Ziel dieses Projekts, die Rechtsnatur der Verschlusssacheneinstufung, ihre Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete sowie ihr Verhältnis zur grundgesetzlichen Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG zu ermitteln. Letztere wird auch auf ihre grundlegende Konzeption und die Wandlung des Begriffsverständnis allgemein zugänglicher Quellen hin untersucht.
Zentrale Ansatzpunkte der Arbeit sind neben den inhaltlichen Einstufungsvoraussetzungen auch die nachgelagerten verwaltungsprozeduralen Mechanismen zur Kontrolle deren Fortbestehens. Der dahingehende Erkenntnisgewinn soll sich einerseits aus rechtsvergleichenden Studien, andererseits aus verwaltungssoziologischer Literatur ergeben. Am Ende stehen ein besseres Verständnis der Verschlusssachenpraxis deutscher Behörden und Vorschläge de lege ferenda zu ihrer Verbesserung, damit sie der demokratischen Bedeutung der effektiven Kontrolle exekutiven Handelns gerecht werden kann.
Forschungsergebnis: | Dissertation am MPI-CSL und an der Albert-Ludwigs-Universität (2020–2023) |
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Forschungsschwerpunkt: | 3. Herausforderungen: Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratieprinzip |
Projektsprache: | Deutsch |
Foto: | © Pixabay |