Vernünftiges Strafen? Die Gegenwart des Deutschen Idealismus in der Straftheorie

Vernünftiges Strafen? Die Gegenwart des Deutschen Idealismus in der Straftheorie

Ziel dieses interdisziplinären Forschungsprojekts ist es, den seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland geführten Streit um eine retributive oder prä­ven­tive Strafbegründung, deren wirkmächtigste Protagonisten Kant, Fichte und Hegel waren, aus heutiger Sicht aufzuarbeiten und dabei kritisch das Potential auszuloten, das diesen Autoren für die gegenwärtige Straftheorie zukommen kann. Denn trotz der historischen Distanz von nunmehr 200 Jahren arbeiten sich sowohl Philosophiehistoriker als auch Rechtsphilosophen noch heute nicht nur an Kants, Fich­tes und Hegels Begründungen von Strafrecht und staatlicher Strafe ab, sondern sehen in diesen Ansätzen oftmals zentrale Rechtfertigungselemente, die auch gegenwärtig Geltung beanspruchen können.
Jedoch ist zum einen unklar, ob und inwieweit die „paradigmatischen Zuschreibungen“ (etwa Kant und Hegel als Vertreter einer absoluten, Fichte einer relativen Straftheorie) gerechtfertigt sind. Klärungsbedürftig ist hier auch, inwieweit die genannten Straftheorien allein vor dem Hintergrund der jeweiligen Systementwürfe zugäng­li­che Positionen darstellen oder aber ob sie verallgemeinerbare Topoi des seit Beccaria angestoßenen Diskurses um die „richtige Strafbegründung“ und das „vernünftige Strafrecht“ aufgreifen. Hier verfolgt das Forschungsprojekt das Ziel einer philosophiehistorischen Vergewisserung und Präzisierung der Strafrechtslehren von Kant, Fichte und Hegel.
Zum anderen ist das kritische Potential dieser Autoren für heutige Straftheorien umstritten. Während einige Auto­ren unmittelbar an Kant, Fichte oder Hegel anknüpfen und ihnen noch heute einen Einfluss auf die zeitgenössische Debatte zusichern wollen, lehnen andere eine unmittelbare Bezugnahme auf diese Theoretiker unter Verweis auf unüberwindbare, metaphysisch-anspruchsvolle Vorannahmen ab. Strafrecht und Strafbegründung müsse allein in­nerhalb positiver, verfassungsrechtlicher Vorgaben stattfinden. Dies wird – vornehmlich in der analytischen Phi­lo­so­phie – wiederum zum Anlass genommen, Kant, Fichte und Hegel von solchen Prämissen zu befreien und so heu­te erneut anschlussfähig zu machen. Welchen dieser Wege normative Theoriebildung im Ausgang von Kant, Fichte und Hegel gehen kann, wird das Projekt klären.

 

Forschungsergebnis: Tagung und Forschungsband
Projektsprache: Deutsch
Bild: © Universität Leipzig; Original: Illustration “Latter-Day Reformers” aus “The New Hyperion. From Paris to Marly by way of the Rhine”

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