Tagung "Vernünftiges Strafen? - Die Gegenwart des Deutschen Idealismus in der Straftheorie"

Vernünftiges Strafen?

Die Gegenwart des Deutschen Idealismus in der Straftheorie

Tagung von 26.–28. Oktober 2023 in Freiburg i. Br. • Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht


Trotz der historischen Distanz von nunmehr 200 Jahren arbeiten sich sowohl Philosophiehistoriker als auch Rechts­philo­so­phin­nen noch heute nicht nur an Kants, Fichtes und Hegels Begründungen von Strafrecht und staatlicher Strafe ab, sondern sehen in diesen Ansätzen oftmals zentrale Rechtfertigungselemente, die auch gegenwärtig Geltung be­an­spru­chen können. Dabei ist allerdings zum einen unklar, ob und inwieweit die „paradigmatischen Zuschreibungen“ (etwa Kant und Hegel als Vertreter einer absoluten, Fichte einer relativen Straftheorie) gerechtfertigt sind. Zum anderen ist das kritische Potential dieser Autoren für heutige Straftheorien umstritten. Während einige Autoren unmittelbar an Kant, Fichte oder Hegel anknüpfen und ihnen noch heute einen Einfluss auf die zeitgenössische Debatte zusichern wollen, lehnen andere eine unmittelbare Bezugnahme auf diese Theoretiker unter Verweis auf unüberwindbare, metaphysisch-anspruchsvolle Vorannahmen ab. Die auf Deutsch abgehaltene Tagung will diese noch immer ungeklärten Fragen aufgreifen und bringt hierzu Philosophen und Philosophinnen sowie an Grundlagenfragen arbeitenden Rechts­wissen­schaft­lerin­nen und Rechtswissenschaftler zusammen. Ziel ist es, den seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Deutsch­land geführten Streit um eine retributive oder präventive Strafbegründung aus heutiger Sicht aufzuarbeiten und dabei kritisch das Potential auszuloten, das diesen Autoren für die gegenwärtige Straftheorie zukommen kann.

Programm

Donnerstag, 26. Oktober 2023  
14:30Begrüßung und Auftakt: Vernünftiges Strafen
14:45–16:15Dieter Hüning (Trier)
„daß das Strafen an und für sich gerecht sei“ (Rph § 99 Anm.) – Vernunft und Unvernunft der Hegelschen Strafrechtstheorie

Martin Brecher (Mannheim)
Vernunft und Vergeltung: Kants Theorie der Strafe
16:15–17:00– Kaffeepause –
17:00–18:30Michael Nance (Baltimore)
Fichte’s Voluntarist Theory of Punishment

Michelle Kosch (Ithaca)
Fichte on Punishment and Conditions of Possibility of Citizenship
Freitag, 27. Oktober 2023  
09:30–11:00Franziska Dübgen (Münster)
Idealistische Straftheorien im Spiegel ihrer Kritiker:innen

Jean-Christophe Merle (Vechta/Saarbrücken)
Das Böse und das Übel bei der Rechtfertigung der Strafe bei Kant, Fichte und Hegel
11:00–11:30– Kaffeepause –
11:30–13:00Antje du Bois-Pedain (Cambridge)
Verfassungschaos und Strafrechtsvernunft: Kann Fichtes philosophischer Ansatz das Strafrecht im Verfassungsstaat rechtfertigen?

Esther Neuhann (Berlin)
„Adding Insult to Injury“: Fichte über Sexualstraftaten
13:00–14:30– Gemeinsames Mittagessen –
14:30–16:00Thomas Meyer (Berlin)
Strafrecht als ‚Dasein des freien Willens‘ und Willensfreiheit als Bedingung für das Strafrecht

Benno Zabel (Frankfurt a.M.)
Vernunft und Verletzlichkeit – Zur Theorie der Zwangsbefugnis bei Hegel und in der liberalen Strafrechtstheorie
16:00–16:45– Kaffeepause –
16:45–18:15Jochen Bung (Hamburg)
Wie absolut ist die Straftheorie Hegels?

Kristina Peters (München)
Wie aktuell ist Hegels Straftheorie?
Samstag, 28. Oktober 2023  
09:30–11:00Katja Stoppenbrink (München)
Kants Straftheorie systematisch betrachtet: Vom Inselbeispiel zur Vereinigungstheorie?

Philipp Hirsch (Freiburg)
Strafe als Forderung der öffentlichen Gerechtigkeit: Immanuel Kant im Gespräch mit Günther Jakobs und Klaus Günther
11:00–11:45– Kaffeepause –
11:45–13:15Luna Rösinger (Bonn)
Die Bedeutung einer Rechtsbegründung aus Freiheit für das Strafrecht – am Beispiel der Wolff-Schule

Markus Abraham (Hamburg/Freiburg)
Drei Argumente des Idealismus zur Strafe, die im Kern vernünftig scheinen

Über uns


Die Tagung wird von Dr. Dr. Philipp-Alexander Hirsch, Dr. Markus Abraham und Dr. Martin Brecher organisiert.

Markus Abraham ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Jochen Bung) der Uni­ver­si­tät Hamburg. Er forscht zum Straf- und Strafverfahrensrecht sowie deren philosophischen Grundlagen.

Martin Brecher ist akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl Phi­lo­so­phie II der Universität Mannheim. Er forscht vor allem zur Philosophie Immanuel Kants sowie zur Moral-, Rechts- und politischen Phi­lo­so­phie der Neuzeit, insbesondere zum Naturrecht der Aufklärung.

Philipp-Alexander Hirsch ist Leiter der unabhängigen For­schungs­gruppe „Strafrechtstheorie“ am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Krimina­li­tät, Sicherheit und Recht in Freiburg. Seine Forschungs­schwer­punkte liegen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, in der Rechts­philo­so­phie und Rechtstheorie sowie in der Straf­rechts­geschichte und -philosophie der Aufklärung.

Die Forschungsgruppe „Strafrechtstheorie“ widmet sich der Analyse des Straf- und Strafprozessrechts und seiner Dog­ma­tik mit Blick auf die zugrundeliegenden normativen Strukturen und Prinzipien, um diese auf ihre Kohärenz, Be­gründ­barkeit und Überzeugungskraft hin zu überprüfen. Ziel ist es, hierauf aufbauend normative Theoriebildung zu betreiben, die Lösungsvorschläge für strafrechtliche Probleme auch jenseits positivrechtlicher Vorgaben unter­brei­tet.

Ablauf und Impressionen


Die Tagung, die Ende Oktober 2023 am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicher­heit und Recht in Freiburg i. Br. stattfand, brachte Philosophinnen und Philosophen sowie Rechtswis­sen­schaft­lerinnen und Rechts­wis­sen­schaft­ler zusammen, um über die Inhalte und das Potenzial der Straftheorien Kants, Hegels und Fichtes in Austausch zu treten. Neben den unter­schied­li­chen Begründungsansätzen der Denker des deutschen Idealismus kam insbesondere zur Sprache, ob ihre Positionen auch heute noch Ausstrahlungswirkung auf die Straftheorie haben und inwiefern von ihnen im straftheoretischen Diskurs profitiert werden kann. Anregende Diskussionen begleiteten die Vorträge, die auch in schriftlicher Form Eingang in einen Tagungsband finden werden.

Tagung "Vernünftiges Strafen?"
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Fotos: © MPI-CSL

Tagungsbericht (JuristenZeitung)


Der ausführliche Tagungsbericht, verfasst von Andrés Payer, Patrick Joseph Siegle und Valerij Zisman, ist in der JuristenZeitung erschienen:

Payer, A., Siegle, P. J., & Zisman, V. (2024). Vernünftiges Strafen? Die Gegenwart des Deutschen Idealismus in der Straftheorie. Juristenzeitung, 79(12), 554–556. doi:10.1628/jz-2024-0162
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