NetzDG und Menschenrechte

NetzDG und Menschenrechte

Die letzten fünf Jahre haben Europa und die ganze Welt vor neue Herausforderungen gestellt: Die rasante Aus­brei­tung digitaler Gewalt und online Hate Speech einschließlich bildbasierter Belästigung, Fake News, Desinformation, Propaganda, sowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, sind zu einem stetig wachsenden gesellschaftlichen Pro­b­lem geworden, das durch Migrationskrisen, politische Umwälzungen, den rasanten Anstieg von Populismus, die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine angeheizt wird. Der digitale Raum ist jedoch kein rechtsfreier Raum. Gegen rechtswidrige Online-Inhalte muss entschlossen, gleichzeitig jedoch auch angemessen vorgegangen werden.
Das Projekt „NetzDG und Menschenrechte“ beschäftigt sich mit dem Regelwerk des am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurch­set­zungs­gesetz – NetzDG) und seinen nachteiligen Auswirkungen auf Grund- und Menschenrechte. Darüber hinaus analy­siert es die Novellierungen durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (ReHaKrBG), und durch das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDGÄndG).
Die bisher eigenverantwortliche Bekämpfung von Online-Hasskriminalität und sog. Fake News durch Anbieter so­zialer Netzwerke und ihren selbstgesetzten Kommunikationsregeln werden – ausweislich der Gesetzes­begrün­dung – zur effektiveren Bekämpfung von Hass und Hetze sowie Rechtsextremismus im Netz nunmehr gesetzlich reguliert. IT-Diensteanbieter mit mehr als zwei Millionen im Inland registrierten Nutzern, und damit in der Größen­ord­nung von Google, Facebook, YouTube, Twitter oder Instagram, werden als private Akteure verpflichtet, ein trans­parentes Beschwerdemanagement für einen effizienten Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte i.S.v. § 1 Abs. 3 NetzDG einzurichten. Das Beschwerde-Verfahren muss gewährleisten, dass IT-Diensteanbieter unverzüglich von eingehenden Beschwerden Kenntnis nehmen und prüfen, ob die in den Beschwerden gemeldeten Inhalte rechtswidrig, und ob sie – innerhalb sehr kurzer Zeitspanne – zu löschen oder der Zugang zu ihnen zu sper­ren sind. Systematische Verstöße gegen diese Pflichten werden mit empfindlichen Geldbußen geahndet. Durch die Novellierung des NetzDG durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hass­krimi­na­li­tät, das am 3. April 2021 in Kraft getreten ist, müssen Anbieter sozialer Netzwerke darüber hinaus bestimmte, potenziell strafbare Inhalte proaktiv an das Bundeskriminalamt (BKA) melden. Ergänzt werden diese Pflichten durch Änderungen in der Strafprozessordnung, die u.a. die Erhebung von Nutzungsdaten bei Telemediendiensten durch die Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Eine weitere Novellierung fand durch das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes statt, das am 28. Juni 2021 in Kraft trat, und die Rechte von online Nutzern sozialer Netzwerke stärkte.
Das NetzDG ist seit seinem Inkrafttreten umstritten. Insbesondere der Katalog des § 1 Abs. 3 des NetzDG hat einer Vielzahl von Straftatbeständen rund um die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit, Kunstfreiheit, Recht auf Privatsphäre und Religionsfreiheit neue Brisanz verliehen. Private Anbieter sozialer Netzwerke werden fak­tisch zu Hütern praktischer Konkordanz wider Willen und zu Gatekeepern an der Schwelle der Grund- und Men­schen­rech­te gemacht. Ob das NetzDG ein weiteres adäquates Mittel zur Bekämpfung von Hass und Hetze online ist, bleibt äußert fraglich. Das Projekt „NetzDG und Menschenrechte“ möchte alternative, grund- und menschen­rechts­kon­for­me Wege zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet aufzeigen.

 

Forschungsergebnisse: mehrere Publikationen
Projektsprachen: Deutsch, Italienisch, Englisch
Projektstatus: abgeschlossen
Foto: © Antlii/Shutterstock.com

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