Grundrechtspositionen bei sicherheitsbezogenen Beschränkungen staatlicher Leistungen
Im Ausgangspunkt ist im deutschen Verfassungsrecht anerkannt, dass der Staat (gemäß Art. 1 Abs. 3 GG) bei der Gewährung staatlicher Leistungen an die Grundrechte gebunden ist. Praktisch wird diese Schutzgewährleistung aber durch die Grundrechtsdogmatik stark eingeschränkt. So werden nach herkömmlicher Dogmatik staatliche Leistungsgewährungen primär am allgemeinen Gleichheitssatz gemessen – Freiheitsrechte werden dagegen kaum berücksichtigt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Grundrechtsträgerinnen und -träger allgemein keinen Anspruch auf staatliche Leistungen haben und daher eine Leistungsbeschränkung mangels eines Nachteils für die Grundrechtsträgerinnen und -träger keinen Eingriff in Freiheitsrechte darstellt. Durch die damit einhergehende Fokussierung auf Gleichheitsrechte entstehen aber Lücken in der Grundrechtsdogmatik. So ist es über Gleichheitsrechte nicht möglich, Leistungsbeschränkungen, die alle (potenziellen) Leistungsempfängerinnen und -empfänger treffen, grundrechtlich zu überprüfen. Auch gewähren Freiheitsrechte durch qualifizierte Gesetzesvorbehalte (wie z.B. Art. 5 Abs. 2 GG) einen besonderen Schutz, der nicht über Gleichheitsrechte erreicht werden kann. Das Thema rückt dabei durch jüngere Diskussionen, etwa um die Zulässigkeit von Antisemitismusklauseln bei der Vergabe staatlicher Förderungen, immer mehr in den Fokus. Auch haben kürzliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Themenkomplex mehr Fragen als Antworten aufgeworfen.
Vor diesem Hintergrund wird in diesem Dissertationsprojekt untersucht, unter welchen Umständen Einschränkungen öffentlicher Leistungen als Grundrechtseingriffe qualifiziert werden können – eine wichtige, aber bis zuletzt nicht geklärte Frage der deutschen Grundrechtsdogmatik, deren Relevanz sich in einem zunehmend sensiblen gesellschaftlichen Kontext weiter erhöht. Das Projekt geht dabei grundrechtsdogmatisch vor und berücksichtigt rechtstheoretische Erkenntnisse. Es steht in engem Zusammenhang mit der ersten Achse der Forschungsmatrix der Abteilung, die auf eine weitere Schärfung des Verständnisses von Grundrechten und rechtsdogmatischen Strukturen abzielt. Die Arbeitshypothese des Projekts lautet, dass grundrechtliche Teilhaberechte, die bei jeder staatlichen Leistungsgewährung entstehen, als materielle Rechte zu verstehen sind, die wiederum grundrechtlich geschützt sind. Demnach stellen Leistungsbeschränkungen eine Beschränkung des Teilhaberechts dar, wodurch auch ein Eingriff in Freiheitsrechte vorliegt. Diese These wird zunächst im Bereich der allgemeinen Grundrechtslehre entwickelt und sodann auf relevante Referenzgebiete angewendet, wie insbesondere das Zuwendungsrecht und das Recht der öffentlichen Sachen.
Forschungsergebnis: | Dissertation an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (2024–2027) |
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Forschungsschwerpunkt: | 1. Grundlagen: Rechtstheoretische Fragen und dogmatische Strukturen |
Projektsprache: | Deutsch |
Bild: | © Andrey Popov/iStock |