„Es muss kommuniziert werden“

Tatjana Hörnle erläutert im „Standard“ verschiedene Modelle des Sexualstrafrechts

25. Juni 2025

Norwegen hat vor wenigen Tagen ein neues Sexualstrafrecht nach dem sogenannten „Ja heißt Ja“-Prinzip verabschiedet. Bei einer ersten Abstimmung stimmte das Parlament in Oslo mit großer Mehrheit dafür. Danach gilt Geschlechtsverkehr nur dann als einvernehmlich, wenn eine ausdrückliche Zustimmung erfolgt, in Worten oder durch Verhalten. Ein höherer Stafrahmen ist anzuwenden, wenn Ablehnung kommuniziert wurde. Im Gespräch mit der Wiener Tageszeitung „Der Standard“ ordnet Strafrechtlerin Tatjana Hörnle das Modell ein.

Aktuell gibt es nach Angaben der Strafrechtsprofessorin im Sexualstrafrecht drei neuere Modelle: Beim „Nein heißt Nein“-Prinzip, das in Deutschland seit 2016 gilt, müsse ein „Nein“ ausgesprochen oder in anderer Form, etwa durch Gesten wie Kopfschütteln, kommuniziert werden. „Nur Ja heißt Ja“ ziele ebenso auf Kommunikation ab. In diesem Fall müsse ein „Ja“ ausgesprochen oder klare Zustimmung – verbal oder nonverbal – signalisiert werden. Die dritte Option sei, dass ein Gesetz auf den inneren Willen oder „Freiwilligkeit“ abstellt. Dieses Modell stelle nicht auf Kommunikation ab, sondern auf eine innere positive oder negative Einstellung. 

„Ein Beweisproblem haben alle Modelle“, sagt Hörnle der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Die Frage, welches Modell besser sei, muss sich der Expertin zufolge an anderen Kriterien ausrichten. Im Gesetz sollte eine Verhaltensnorm ausgedrückt werden, die klarstellt, dass kommuniziert werden muss. Die rote Linie zwischen illegalem und legalem Verhalten sollte somit entlang von Kommunikation gezogen werden, also bewerten, was nach außen erkennbar wird – es gehe nicht um innere Zustände.

„Moralisch gesehen würde ich natürlich zu jemandem sagen: Wenn sich eine Person passiv verhält, dann frag doch bitte mal nach“, so Hörnle. Aber das Strafrecht könne nicht alles, was moralisch nicht einwandfrei ist, erfassen.


Tatjana Hörnle ist Direktorin der Strafrechtlichen Abteilung am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht und Honorarprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Jahr 2016 hatte sie die Bundesregierung bei der Reform des Sexualstrafrechts als Sachverständige beraten.

Reform des Sexualstrafrechts: Warum Norwegen „Nur ja heißt Ja“ will. Der Standard vom 24. Juni 2025 (Paywall).

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