„Das Europarecht hat Grenzen“
ARD-Podcast mit Tatjana Hörnle über die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
Justizminister Marco Buschmann hat sich Anfang des Jahres in der Europäischen Kommission gegen eine Richtlinie zur Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt gestellt, die eine Vereinheitlichung im Sexualstrafrecht, insbesondere beim Tatbestand der Vergewaltigung, vorsah. Die Begründung für Deutschlands Zögern: Die Gestaltung von Strafrecht falle nicht in die Kompetenz der EU. In der Folge wird die Richtlinie jetzt ohne den Vergewaltigungstatbestand umgesetzt. In einem Podcast der Justizreporter*innen erklärt Rechtswissenschaftlerin Tatjana Hörnle, warum dieses Vorgehen ihrer Ansicht nach richtig war.
Die im Februar 2024 beschlossene neue EU-Richtlinie soll europaweit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt dienen. Sie umfasst neben der physischen Gewalt auch psychische, wirtschaftliche und sexuelle Gewalt, heißt es in einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission. Die Strafbarkeit von Vergewaltigungen fand allerdings keinen Einzug in die Richtline. Neben Deutschland hatten sich noch Frankreich und die Niederlande gegen die Vorlage in ihrer ursprünglichen Form gestellt.
In einem Podcast der ARD-Justizreporter*innen erklärt Tatjana Hörnle die Hintergründe dazu. Zwar seien in einigen europäischen Ländern Änderungen im Sexualstrafrecht durchaus zu empfehlen, erklärt die Rechtswissenschaftlerin; dies sei allerdings die Aufgabe der nationalen Parlamente. Das Europarecht sei nicht für umfassende Regelungen des Strafrechts zuständig. Deswegen sei es auch nicht korrekt, von einer Blockade Deutschlands zu sprechen. „Es geht darum, auf die Grenzen des Europarechts hinzuweisen“, so die Expertin.
Die deutsche Gesetzeslage hält Tatjana Hörnle für angemessen, sieht allerdings Probleme bei der Anwendung der Gerichte. Oft urteilten Gerichte bei Vergewaltigungen milder, wenn Opfer und Täter vor einer Sexualstraftat eine innige Beziehung geführt hatten. Dieser Strafmilderungsgrund gehe auf veraltete Vorstellungen zurück und müsse in der Praxis durch Regelungen unterbunden werden.
Als Diskussionspartnerin am Podcast ebenfalls beteiligt ist die Rechtswissenschaftlerin Dilken Çelebi, die zugleich Vorsitzende der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes ist. Anders als Tatjana Hörnle, die das Sexualstrafrecht vor allem als nationale Sache ansieht, befürwortet Dilken Çelebi eine Ausweitung des EU-Rechts.