Muss die Demokratie geschützt werden?

Die Themen Demokratie und Freiheit im Pressespiegel

18. April 2024

Die Demokratie steht vor Herausforderungen, etwa durch den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in vielen Regionen der Welt. Antidemokratische Positionen sind oftmals in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden daher oft gefragt: Muss die Demokratie geschützt werden?

„Normalerweise braucht die Demokratie keinen Schutz.“ Das sagt Ralf Poscher, einer von drei Direktoren am Max-Planck-Institut zur Er­for­schung von Kriminalität, Sicher­heit und Recht und Leiter der Ab­tei­lung Öffentliches Recht. „Die Demokratie schützt sich selbst durch ihre Institutionen und den öffentlichen Diskurs. Sie hat eine Art selbstimmunisierende Kraft“, erklärt der Rechtsprofessor.

Unter besonderen Umständen aber muss sich die Demokratie wehren können, etwa wenn sich große verfassungsfeindliche Gruppierungen etablieren oder wenn sich verfassungsfeindliche Meinungen in Vereinen oder Parteien durchsetzen und diese Organisationen zu militanten und organisierten Aktionen gegen die Verfassung greifen. In diesem Fall sind die Grundlagen der Demokratie bedroht und es benötigt Mechanismen, die die Demokratie schützen. Ein Beispiel für einen solchen Mechanismus ist das Verbot von Parteien.

Hohe Hürden für Parteiverbote

Das Problem dieser Mechanismen: Sie sind ambivalent. Während sie versuchen, die demokra­ti­schen Institutionen zu schützen, greifen sie gleichzeitig in die demokratischen Strukturen ein. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir solche Mechanismen einsetzen“, betont Ralf Poscher.

So sind beispielsweise die Hürden für Parteiverbote sehr hoch. Eine Partei darf nur unter ganz bestimmten Voraus­set­zun­gen verboten werden. Es genügt nicht nur der Nachweis, dass die Partei gegen die Verfassung verstößt. Es muss auch wahrscheinlich sein, dass die Partei mit ihren Aktionen Erfolg hat und die Demokratie tatsächlich bedroht ist. Bislang wurden in der Bundes­republik Deutschland zwei Parteien verboten: die Sozialistische Reichspartei (SRP) im Jahr 1952 und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) im Jahr 1956.

Ein Verbot der rechtsgerichteten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wurde 2017 vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht hingegen abgelehnt. Zwar erkannte das Gericht an, dass die NPD ein „auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept“ vertrat und dass sie auch „planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele“ hinarbei­te­te. Allerdings sah das Gericht keine „konkreten Anhaltspunkte von Gewicht“ für eine erfolgreiche Durchsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele und lehnte das Verbot somit ab.

Für seine Meinung wird hierzulande niemand verhaftet

In Deutschland steht die Demokratie noch wegen eines anderen Aspekts unter Druck: Viele Menschen scheinen das Vertrauen in die verfassungsrechtlich gesicherte Meinungsfreiheit zu verlieren. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach und Media Tenor von Dezember 2023 gaben 44 Prozent der Befragten an, es sei besser, sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig zu äußern, vor allem wenn es um konservative oder rechtspopulistische Ansichten geht. Nur 40 Prozent bekundeten das Gefühl, ihre politische Meinung frei sagen zu können. Es ist der schlechteste Wert seit Beginn der Befragungen im Jahr 1953. 

Die Einschätzung der Deutschen entspricht laut Ralf Poscher nicht der Realität. „Es gibt hinsicht­lich der Meinungsfreiheit keine Bedrohung durch ‘das System‘“, erklärt der Rechtsprofessor in einem Bericht des Wissenschaftsmagazins Max Planck Forschung. Für seine Meinung werde hierzulande niemand verhaftet. „Solange es um den Versuch geht, mit Argumenten, Positionen, Meinungen andere lediglich zu überzeugen, sind wir frei in der Auseinandersetzung“, erklärt der Experte. Dabei könnten auch Dinge vertreten werden, die durchaus nicht verfassungskonform sind. „Solange es nur um die persönliche Meinung geht, darf sich jemand sogar für die Wiedereinführung der Monarchie einsetzen.“

Unbequeme und extreme Meinungen sind also geschützt. Auch hier gibt es aber Grenzen, unter anderem die Persön­lich­keits­rechte einer Person, erläutert Ralf Poscher. Werden diese verletzt, zum Beispiel durch Beleidigung oder Ver­leum­dung, darf staatlich eingegriffen werden. „Verboten sind außerdem volksverhetzende Aussagen und Symbole wie der Hitlergruß sowie Aufrufe zu Hass und Gewalt.“ In Versammlungen sei es darüber hinaus nicht erlaubt, sich uniformiert oder mit Waffen zu zeigen und andere dadurch einzuschüchtern.

Pressespiegel

Zu den Themen Demokratie und Freiheit sind zuletzt zahlreiche Presseberichte unter Mitwirkung des Max-Planck-Instituts entstanden. Eine Auswahl:


Die Abteilung Öffentliches Recht unter der Leitung von Ralf Poscher beschäftigt sich mit dem Recht der öffentlichen Sicherheit. Untersucht wird, wie die Rechtsordnung auf Gefahren reagieren kann, um möglichst Straftaten und andere Schäden bereits im Vorfeld zu verhindern. Eine Übersicht über unsere Forschungsprojekte finden Sie unter: csl.mpg.de/de/oeffentliches-recht/projekte.

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