Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen
In dieser Studie wird die Legalbewährung von allen in Deutschland justiziell registrierten Personen in Abhängigkeit von Delikt, Sanktionsart und -höhe, sowie möglichen Voreintragungen, der Region und soziodemografischen Merkmalen wie Alter und Geschlecht untersucht. So kann zum Beispiel ermittelt werden, wie häufig es bei wegen Gewaltdelikten oder Sexualdelikten bestraften Tätern zu Rückfällen kommt. Auch häufig geäußerte kriminalpolitische Auffassungen zu unterschiedlichen Rückfallraten bei verschiedenen Sanktionstypen können mit dieser Untersuchung auf einer gesicherten Grundlage überprüft werden. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass zunächst einmal lediglich die Häufigkeit des Rückfalls benannt werden kann, ohne dass damit Aussagen über Kausalzusammenhänge getroffen werden können. Geldstrafen werden von den Gerichten von vorneherein bei weniger schweren Straftaten und bei Tätern mit günstigerer Sozialprognose verhängt, so dass es sich bei den im Vollzug befindlichen Verurteilten um eine Art „Negativauslese“ handelt, deren häufigeres Versagen bei der Legalbewährung nicht überraschend ist. Überraschend ist hier vielleicht eher, dass es dennoch vergleichsweise selten zu Rückfällen kommt. Kontrolliert man diesen Selektionseffekt, so ist kein Unterschied des Rückfallrisikos zwischen den Sanktionsarten festzustellen.
In der vierten Erhebungswelle wurden Personen, gegen die im Jahr 2004, 2007, 2010 oder 2013 entweder eine nicht freiheitsentziehende Sanktion verhängt wurde oder die aus dem Vollzug einer freiheitsentziehenden Sanktion entlassen wurden, innerhalb eines dreijährigen bzw. zwölfjährigen Rückfallzeitraums daraufhin untersucht, ob sie erneut wegen einer weiteren Straftat verurteilt wurden.
Die Ergebnisse der vierten Erhebungswelle wurden 2020 veröffentlicht. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Göttingen durchgeführt. Auftraggeber der ersten drei Wellen des Projekts war das Bundesministerium der Justiz. Die vierte Welle wurde mit Mitteln der DFG finanziert.
Im Folgenden werden einige Ergebnisse der Studie zusammengefasst:
- Etwas mehr als ein Drittel der strafrechtlichen Sanktionierten bzw. aus der Haft Entlassenen wurde innerhalb des Risikozeitraums von drei Jahren erneut straffällig.
- Eine erneute strafrechtliche Reaktion führte überwiegend nicht zu einer vollstreckten Freiheitsentziehung, sondern meist zu milderen Sanktionen.
- Entlassene Strafgefangene werden am häufigsten rückfällig, aber nur ein Viertel, der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten kehrt innerhalb von drei Jahren wieder in den Vollzug zurück.
- Die Rückfallraten von zu Bewährungsstrafen Verurteilten liegen niedriger als die Rückfallraten von Strafentlassenen.
- Die Rückfallhäufigkeit variiert stark je nach Alter und Geschlecht. Jugendliche weisen mit über 40 % die höchste Rückfallrate auf, die über 60-Jährigen mit 15 % die geringste. Frauen werden deutlich seltener rückfällig als Männer.
- Je schwerer die Vorstrafenbelastung, desto höher ist das Rückfallrisiko.
- Die allgemeine Rückfälligkeit – gleichgültig wegen welcher Straftat – unterscheidet sich stark bei verschiedenen Deliktsgruppen. Die niedrigste Rückfallrate mit 16 % weisen wegen Tötungsdelikten Verurteilte auf. Von den Tätern, die wegen eines Raubdelikts oder wegen einer schweren Form des Diebstahls verurteilt waren, wurde etwa jeder zweite rückfällig.
- Einschlägige Rückfälle, d.h. erneute Verurteilungen wegen einer Tat aus derselben Deliktgruppe, sind deutlich seltener als allgemeine Rückfälle. Etwa 2 % der sexuellen Gewaltstraftäter wurden innerhalb von drei Jahren einschlägig rückfällig, 3,2 % innerhalb von sechs Jahren, 3,6 % innerhalb von neun Jahren und 3,7 % innerhalb von zwölf Jahren.
Aktuell wird das Projekt um eine fünfte Erhebungswelle ergänzt, die von der DFG finanziert wird. Die Untersuchungsergebnisse sollen 2024 veröffentlicht werden.