Demokratie und Staatsgeheimnisse
Die Kalibrierung von Public Accountability vor dem Hintergrund moderner nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung
Am Beispiel von Deutschland, den USA, Großbritannien und Kanada untersucht dieses rechtsvergleichende Projekt den Einfluss des Internets und digitaler Kommunikation auf vernetzte Accountability-Mechanismen. Vor dem Hintergrund moderner Trends im Bereich nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung soll die grundsätzliche Frage behandelt werden, inwieweit Massenüberwachung unter Erhebung sämtlicher Inhalte und Metadaten (sog. Full-Take-Erhebung) sowie deren rechtliche Ermächtigung mit anerkannten Prinzipien der Self-Governance – hier insbesondere Gewaltenteilung, gerichtliche Überprüfbarkeit und demokratische Accountability-Mechanismen – in Einklang zu bringen ist. Die wenigen Forschungsarbeiten, die sich bislang mit diesem Gebiet befasst haben, zeigen auf, dass eine integrativere methodologische Vorgehensweise und synthetisches Denken gefragt sind. Angesichts nur langsamer Fortschritte im Bereich der Public-Accountability-Theorie bedarf es dringend neuer Ideen und innovativer Forschung. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass unsere weltweiten Verbriefungen der Meinungsfreiheit, konzeptionelle Modelle und jahrhundertealte Accountability-Mechanismen und verfassungsrechtliche Strukturen vom rasanten technologischen Fortschritt überholt werden. An der Schnittstelle von Digitalisierung, nationaler Gesetzgebung bezüglich nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung und der Effektivität von ineinandergreifenden Accountability-Mechanismen befasst sich das Projekt mit kontextuellen, rechtlichen und normativen Fragen, die sich in das Forschungsprogramm der Abteilung einreihen. Um die akademische Diskussion in einen hinreichend ausdifferenzierten Rahmen einzupassen, wird methodologisch auf rechtsvergleichende, interdisziplinäre, demokratietheoretische und gesetzesauslegende Ansätze zurückgegriffen. Erste Ergebnisse zeigen, dass tiefgreifende Veränderungen in unserer digitalen Medienlandschaft dazu geführt haben, dass es sowohl der institutionellen Presse als auch der Justiz in hohem Maße an theoretischem Hintergrund zur Verankerung von Accountability-Mechanismen fehlt. Indem technologische Ex-ante-Strategien im Verborgenen bleiben, die als juristische „Voreinschränkungen“ dienen und an die Stelle gerichtlicher Überprüfung treten, besteht ein immer größeres Risiko privatisierter Regierungszensur und einer Vereinnahmung der Regulierungsbehörden. Das wiederum stellt eine neuartige, weniger auffällige Gefahr für unsere Demokratien dar. Als wesentliche Forschungsergebnisse strebt das Projekt die Erarbeitung eines neuen, tiefergehenden Verständnisses der Accountability-Dynamiken in der modernen nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, ein verbessertes, systembasiertes Modell zur Evaluierung demokratischer „Funktionsstörungen“ im Bereich Public Accountability sowie Empfehlungen für wichtige politische und gesetzliche Reformen (sowohl für Common-Law-Rechtskreise als auch im kontinentaleuropäischen Rechtssystem) an.
Forschungsergebnis: | Peer-reviewed Journalartikel und Manuskript (2020–2025) |
---|---|
Forschungsschwerpunkt: | 3. Herausforderungen: Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratieprinzip |
Projektsprache: | Englisch |
Foto: | © Gorodenkoff/Shutterstock.com |