Digital Services Act: Bedroht Internetregulierung die Meinungsfreiheit?

Vortrag von Johanna Rinceanu im Deutschlandfunk Nova

21. Juli 2025

Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr das Gesetz über digitale Dienste (DSA) eingeführt, um das Internet zu regulieren. Doch Experten warnen vor einer Gefährdung der Meinungsfreiheit. Die Strafrechtlerin Johanna Rinceanu kritisiert, dass private Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon zu stark in die Kontrolle des öffentlichen Diskurses eingreifen. In einem Vortrag auf Deutschlandfunk Nova äußert sie Bedenken um die Meinungsfreiheit und die Rolle der Techunternehmen in der digitalen Welt.

Die Debattenkultur im Netz kann äußerst rau sein. Sie ist geprägt von Hate Speech, Fake News, Beleidigungen, aber auch Straftaten werden online begangen. Zudem ist das Internet auch ein Ort von Über­wa­chung und Zensur. Da liegt es nahe, dass der Ruf nach Regulierung groß ist. Doch wie kann diese aussehen?

Mit diesem Thema beschäftigt sich Johanna Rinceanu, Straf­recht­lerin und Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. „Die Struktur des Internets per se erlaubt keine einfache Regulierung. Digitale Plattformen operieren grenzüberschreitend und haben eine globale Reichweite“, erklärt sie in einem von Deutschlandfunk Nova ausgestrahlten Vortrag.

Die Struktur des Internets per se erlaubt keine einfache Regulierung. Digitale Plattformen operieren grenzüberschreitend und haben eine globale Reichweite.
Johanna Rinceanu

Die radikalen Veränderungen in der digitalen Welt haben neue rechtliche Herausforderungen mit sich gebracht, sagt Rinceanu. Eine nationale strafrechtliche Kontrolle habe sich als weitgehend ineffektiv herausgestellt.

Die Machtkonzentration der privaten Technologieunternehmen bezeichnet die Juristin in diesem Zusammenhang als besorgniserregend. Die sogenannten "Big Five" Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook) und Microsoft hätten eine Monopolstellung sowie enorme wirtschaftliche und damit auch politische Macht.

Um das Internet und die Social-Media-Plattformen zu regulieren, hat die Europäische Union die Konzerne daher „mit ins Boot“ geholt. Das seit Februar 2024 in der ganzen EU angewandte Gesetz über digitale Dienste, der Digital Services Act (DSA), legt fest, dass die Online-Plattformen selbst dafür sorgen, dass illegale Inhalte entfernt werden. Zugleich müssen sie das Risiko minimieren, dass illegale Inhalte gar nicht erst auf die Plattformen gelangen. Ob die Unternehmen das Gesetz umsetzen, wird von sogenannten Koordinatoren für digitale Dienste – in Deutschland ist das die Bundesnetz-Agentur – überwacht.

Private Unternehmen fungieren zunehmend als Gatekeeper an der Schwelle der Menschenrechte, indem sie den öffentlichen Diskurs kontrollieren.
Johanna Rinceanu

Durch den DSA gibt man den Techunternehmen Aufgaben an die Hand, die eigentlich in die Hand der Judikative gehören, kritisiert die Strafrechtlerin Rinceanu. „Diese privaten Unternehmen fungieren zunehmend als Gatekeeper an der Schwelle der Menschenrechte, indem sie den öffentlichen Diskurs kontrollieren“, erklärt die Expertin. Und weiter: „Digitale Diensteanbieter werden auf diese Weise in die Rolle einer privaten Paralleljustiz gedrängt“. Darin sei eine konkrete Gefährdung der Meinungsfreiheit und der Demokratie insgesamt zu sehen.

Ein weiterer Kritikpunkt: Bei der Regulierung liege der Fokus fast ausschließlich auf der Einschränkung problematischer Online-Inhalte. Die Phänomene der Massenüberwachung und der privatisierten staatlichen Zensur, die immer weiter an Fahrt aufnehmen, würden so gut wie gar nicht berücksichtigt. „Wir überlassen es privaten Unternehmen zu entscheiden, ob ein Inhalt gelöscht wird oder nicht“, so das besorgniserregende Fazit. 

Johanna Rinceanu hat den Vortrag „Meinungsfreiheit in der digitalen Welt?“ am 13.05.2025 im Rahmen der Reihe „Die Verfassung der Freiheit – Demokratieprobleme der Gegenwart“ am Hamburger Institut für Sozialforschung gehalten. Den gesamten Vortrag auf Deutschlandfunk Nova zum Nachhören gibt es hier.

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