Nachbesserungsbedarf bei Regelungen zu Nachrichtendiensten
Ralf Poscher bei Bundestagsanhörung zu BND-Gesetz
Experten, darunter der Freiburger Rechtswissenschaftler Ralf Poscher, kritisieren den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des BND-Gesetzes. In einer Anhörung des Bundestags erklärte Poscher, dass Teile der neuen Regelungen weitgehend nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom September 2022 mehrere Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dabei ging es vor allem um die Frage, wann es Nachrichtendiensten erlaubt ist, Daten an Behörden mit polizeilichen Befugnissen weiterzugeben. Eine Änderung des Gesetzes war durch das Urteil zwingend notwendig geworden.
Mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf soll das Nachrichtendienstrecht umfassend reformiert werden, heißt es aus der Bundesregierung. Insbesondere gehe es darum, dass die Regelungen zur Übermittlung nachrichtendienstlich gewonnener Informationen an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden.
In der Anhörung des Innenausschusses am 6. November wiesen die geladenen Experten jedoch darauf hin, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bislang nicht ausreichend beachtet worden seien. Bei den Regelungen über die Datenübermittlung an inländische Stellen der Gefahrenabwehr seien die verfassungsrechtlichen Anforderungen zwar gewahrt, erklärte Ralf Poscher. Die Regelungen zur Datenübermittlung zum administrativen Rechtsgüterschutz entsprächen hingegen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sowohl der Anknüpfungspunkt als auch der Übermittlungsanlass verfehlten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
„Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz unabhängig von einem konkreten Gefahrenanlass zu Eindämmung bloß abstrakter Gefahren und zur Stärkung der Resilienz personenbezogene Daten an Stellen mit Anschlussbefugnissen übermitteln können soll, dann lässt sich der Kreis der Stellen und Anlässe kaum noch eingrenzen. Entsprechend konturlos und unbestimmt fallen eine Reihe der Tatbestände (..) aus und rufen dadurch noch zusätzliche Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit hervor“, heißt es in der Stellungnahme von Ralf Poscher.
Die möglichen Szenarien, die daraus resultieren könnten, machte er an folgendem Beispiel sichtbar: „Die Nachrichtendienste können dann Schulleiter über die Bestrebungen ihrer Schülerinnen und Schüler, Universitäten über die ihrer Studierenden, Arbeitgeber über ihre Beschäftigten etc. informieren, auch wenn von ihnen keinerlei konkrete oder auch nur konkretisierte Gefahr ausgeht.“
- Zur Stellungnahme von Prof. Ralf Poscher vom 3.11.2023
- „Immer noch verfassungswidrig“ | [PDF] • Presseartikel Cicero vom 19.11.2023
- „‘Notdürftige Reparatur‘ und nicht verfassungskonform“ • Presseartikel Netzpolitik.Org vom 6.11.2023
Ralf Poscher ist Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg i. Br., wo er die Abteilung Öffentliches Recht leitet. Zudem ist er Honorarprofessor an der Universität Freiburg.