Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua

Menschenrechtsexperte Jan-Michael Simon legt Bericht vor

6. März 2023

Die Regierung von Nicaragua begeht politisch motivierte, flächendeckende Menschenrechtsverletzungen an ihren Bürgerinnen und Bürgern, die den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen. Zu diesem Ergebnis kommt die Group of Human Rights Experts on Nicaragua unter dem Vorsitz von Jan-Michael Simon, Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht.

Laut des Berichts sind die mutmaßlichen Verstöße – zu denen außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierung, Folter, willkürlicher Entzug der Staatsangehörigkeit sowie des Aufenthaltsrechtes im eigenen Land zählen – keine Einzelfälle. Sie sind vielmehr die Folge einer bewussten Aushöhlung demokratischer Institutionen sowie der Zerstörung des gesellschaftlichen und demokratischen Raums.

„Die Verstöße und Übergriffe erfolgen aus politischen Gründen und werden flächendeckend und systematisch begangen. Sie erfüllen den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nämlich Mord, Inhaftierung, Folter, darunter auch sexuelle Gewalt, Deportation sowie politisch motivierte Verfolgung“, so der unabhängige Experte Jan-Michael Simon in einer Pressekonferenz des UN-Menschenrechtsrats in Genf. „Die Bevölkerung von Nicaragua lebt in ständiger Angst vor Aktionen ihrer eigenen Regierung, die sich gegen sie richten könnten.”

„Den oberen Regierungsinstanzen ist es gelungen, die Exekutive, die Legislative, die Judikative und die Wahlbehörden für sich zu instrumentalisieren und einen rechtlichen Rahmen aufzustellen, der grundlegende Freiheitsrechte unterdrückt und Andersdenkende verfolgt“, ergänzt Simon. „Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Opposition im Land auf unterschiedlichen Wegen vollkommen auszuschalten.”

Der Bericht zeigt einem bestimmten Muster folgende außergerichtliche Hinrichtungen durch Beamte der Nationalpolizei und Mitglieder regierungstreuer bewaffneter Gruppen auf, die im Rahmen von Protesten vom 18. April bis 23. September 2018 Hand in Hand und koordiniert durchgeführt wurden. Die Regierung verhinderte anschließend eine mögliche Aufklärung dieser und anderer Todesfälle.

    Zu den Enthüllungen des Berichts zählen außerdem Fälle körperlicher und psychologischer Folter, u.a. sexueller Gewalt bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt, bei der Verhaftung, dem Verhör und der Inhaftierung von Oppositionellen.

    Der Bericht kommt zudem zu dem Schluss, dass die Regierung kritische Stimmen mittels willkürlicher Inhaftierung mundtot macht. Bei vielen Verhaftungen kam es zu übermäßiger Gewaltanwendung vonseiten regierungstreuer bewaffneter Gruppen. Viele Menschen wurden ohne Haftbefehl festgenommen und in Isolationshaft gehalten.

    Der Bericht appelliert an die internationale Gemeinschaft, gegenüber den betroffenen Institutionen und Personen Sanktionen zu verhängen.

    Informe del Grupo de Expertos en Derechos Humanos sobre Nicaragua”. Lesen Sie den vollständigen Bericht hier.


    Der deutsche Rechtswissenschaftler Jan-Michael Simon war im Mai 2022 vom Präsidenten des UN-Menschenrechtsrats zum Vorsitzenden der Gruppe der Menschenrechtsexperten für Nicaragua ernannt worden. Die Gruppe der Menschenrechtsexperten für Nicaragua ist ein unabhängiges Gremium, das vom UN-Menschenrechtsrat beauftragt wurde, gründliche und unabhängige Untersuchungen aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche durchzuführen, die seit April 2018 in Nicaragua begangen wurden.
     

    Jan-Michael Simon ist Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg im Breisgau. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Menschenrechte, Übergangsjustiz, Strafrechtsreformen und Korruption. Seit mehr als 25 Jahren forscht und arbeitet er immer wieder in Lateinamerika.

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