Schweizer Sexualstrafrecht wird nach Anstoß von Wissenschaftlerin verschärft

Reformvorhaben geht auf Doktorarbeit von Nora Scheidegger zurück

8. Dezember 2022

Nach langjähriger gesellschaftlicher Debatte hat sich der Schweizer Nationalrat Anfang Dezember mit dem veral­te­ten Sexualstrafrecht beschäftigt. Er hat sich dabei knapp für die sogenannte Zustimmungs­lösung ausgeprochen – auch als „Nur ein Ja ist ein Ja Lösung“ bekannt. Der Nationalrat folgt damit einer Empfehlung der Rechtswissen­schaft­lerin Nora Scheidegger.

Der Schweizer Nationalrat hat sich für die sogenannte Zustim­mungs­lösung ausgesprochen – auch als „Nur ein Ja ist ein Ja Lösung“ bekannt. Das bedeutet, dass sexuelle Handlungen ohne Zustimmung unter Strafe gestellt werden.

Dem gegenüber steht die vom Ständerat favorisierte Widerspruchs­lösung („Nein heißt Nein“), die beispielsweise in Deutschland an­ge­wandt wird. Demnach macht man sich strafbar, wenn man sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person vornimmt. Voraussichtlich im Frühling wird sich nun der Ständerät erneut mit dem Sachverhalt beschäf­ti­gen.

Angestoßen worden war die Schweizer Debatte durch die Juristin und Wissenschaftlerin Nora Scheidegger, die sich seit Jahren mit dem Sexualstrafrecht in ihrem Heimatland beschäftigt. Schon ihre 2018 an der Universität Bern eingereichte Doktorarbeit hatte „das Sexualstrafrecht der Schweiz: Grundlagen und Reformbedarf“ zum Thema. Auch als Postdoc am Freiburger Max-Planck-Institut beobachtet und begleitet sie den aktuellen Reformprozess in der Schweiz. Darüber hinaus ist sie Teil einer Projektgruppe, die unter anderem die auf Ein­wil­li­gung basierenden Gesetze, die in England/Wales, Schweden und Deutschland verabschiedet wurden, sowie die laufenden Reform­vor­schlä­ge in der Schweiz, Spanien, den USA und in Kanada analysiert und vergleicht mit dem Ziel, die besten Modelle und opti­ma­len Vorgehensweisen für laufende und zukünftige Rechtsreformen zu identifizieren.

Dass Nora Scheideggers Forschungsarbeit nun Eingang in die neue Gesetzgebung finden konnte, freut die Wissen­schaft­lerin. „Ich glaube, alle Doktorierenden haben die Hoffnung, mit ihrer Arbeit eine Veränderung anzustoßen. Ich freue mich, dass das in meinem Fall geklappt hat“, sagte sie in einem Interview mit dem Magazin „Beobachter“, das sie „zu den bekanntesten Juristinnen der Schweiz“ zählt. Zugleich macht sie aber auch darauf aufmerksam, dass Sexualdelikte nach wie vor „sehr schwierige Fälle“ seien. „Die Reform ändert nichts daran, dass der Staat die Schuld eines Täters nach­weisen muss“, betont Scheidegger. Die Beweislast werde nicht neu geregelt. „Darum warne ich auch davor, dass sich die Opfer und die Gesellschaft zu viel von der Reform versprechen“.

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