Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ und der Russland-Ukraine-Krieg
Gastbeitrag von Max-Planck-Wissenschaftler Jörg Arnold in der „Berliner Zeitung“
Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine ist es nach Ansicht von Rechtswissenschaftler Jörg Arnold höchste Zeit, Immanuels Kants 1795 erschienenes Werk „Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“ neu zu lesen. In einem Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ erläutert der Wissenschaftler, dass laut Kant kein Staat sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen dürfe; der Krieg Russlands gegen die Ukraine sei eine klare Verletzung dieses Grundsatzes.
Zugleich weist Jörg Arnold aber auch darauf hin, dass die Frage der „humanitären Interventionen“ bzw. der sogenannten „Schutzverantwortung“ weitaus schwieriger zu beantworten sei. Nach Ansicht des Rechtswissenschaftlers ist es umstritten, inwiefern eine solche „Schutzverantwortung“ gewalttätige Eingriffe in die Staatensouveränität legitimieren könne, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu stoppen oder zu verhindern, die durch das militärische Eingreifen von außen aber nicht selten selbst mit verursacht und in Kauf genommen werden. „Frieden nach Kant ist nicht zu erreichen mit immer mehr Waffenlieferungen, nicht dadurch, dass der Krieg verlängert und das Töten auf beiden Seiten der Kriegsparteien kein Ende findet“, schreibt der Jurist. Für Diplomatie zu werben sei „keine Parteinahme für Putin, sondern eine Parteinahme für die Vernunft“, so der Autor.
Der Artikel ist in der „Berliner Zeitung“ vom 5. November 2022 in einer Pro- und Contra-Debatte zum Thema „Waffenlieferungen an die Ukraine“ erschienen.