„Patienten, die dann neu kommen, würden in vielen Fällen sterben“
Tatjana Hörnle kritisiert im SZ-Interview Gesetzentwurf zur Triage
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach nur die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patientinnen und Patienten darüber entscheiden soll, wer zuerst medizinisch versorgt wird, wenn die Ressourcen im Krankenhaus knapp sind. Die Option einer „Ex-Post“-Triage – also dass Ärzte die Behandlung eines Patienten zugunsten eines anderen mit besseren Überlebenschancen abbrechen dürfen – wird explizit verboten. Strafrechtsprofessorin und MPI-Direktorin Tatjana Hörnle begrüßt das Gesetz, sieht in der Entscheidung, eine Ex-Post-Triage grundsätzlich zu verbieten, aber eine große Gefahr.
„Patienten, die dann neu ankommen, etwa mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder nach einem Verkehrsunfall, würden alle abgewiesen und in vielen Fällen sterben. Obwohl sie eine deutlich höhere Chance zu überleben hätten, als manche Patienten, die schon länger auf der Intensivstation liegen“, sagte sie in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Das wäre verheerend. Das geplante Gesetz würde Ärzte und Ärztinnen zwingen, Menschen mit schlechten Überlebenschancen lange weiter zu behandeln, während sie Menschen, denen sie helfen könnten, im Stich lassen müssen. Das könne auch für die Behandelnden keine gute Situation sein.
Die Rechtsphilosophin schlägt stattdessen eine regelmäßige Neubewertung der Fälle vor. Entscheidungen sollten revidiert werden können, wenn Behandlungsplätze knapp seien und Patienten ankommen, die sehr viel bessere Erfolgsaussichten hätten.
„Meines Erachtens sollte der Gesetzentwurf die Neuzuteilung von intensivmedizinischen Behandlungsplätzen zulassen, dann wäre auch die strafrechtliche Lage eindeutig geklärt“, erklärt Tatjana Hörnle.