„Patienten, die dann neu kommen, würden in vielen Fällen sterben“

Tatjana Hörnle kritisiert im SZ-Interview Gesetzentwurf zur Triage

25. Juni 2022

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach nur die Überlebens­wahr­schein­lich­keit von Patientinnen und Patienten darüber entscheiden soll, wer zuerst medizinisch versorgt wird, wenn die Ressourcen im Krankenhaus knapp sind. Die Option einer „Ex-Post“-Triage – also dass Ärzte die Behand­lung eines Patienten zugunsten eines anderen mit besseren Überlebenschancen abbrechen dürfen – wird explizit verboten. Strafrechtsprofessorin und MPI-Direk­to­rin Tatjana Hörnle begrüßt das Gesetz, sieht in der Entscheidung, eine Ex-Post-Triage grundsätzlich zu verbieten, aber eine große Gefahr.

„Patienten, die dann neu ankommen, etwa mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder nach einem Verkehrsunfall, würden alle abgewiesen und in vielen Fällen sterben. Obwohl sie eine deutlich höhere Chance zu überleben hätten, als manche Patienten, die schon länger auf der Intensivstation liegen“, sagte sie in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Das wäre verheerend. Das geplante Gesetz würde Ärzte und Ärztinnen zwingen, Menschen mit schlechten Überlebens­chancen lange weiter zu behandeln, während sie Menschen, denen sie helfen könnten, im Stich lassen müssen. Das könne auch für die Behan­deln­den keine gute Situation sein.

Die Rechtsphilosophin schlägt stattdessen eine regelmäßige Neubewertung der Fälle vor. Entscheidungen sollten revi­diert werden können, wenn Behandlungsplätze knapp seien und Patienten ankommen, die sehr viel bessere Erfolgs­aussich­ten hätten.

 „Meines Erachtens sollte der Gesetzentwurf die Neuzuteilung von intensivmedizinischen Behandlungsplätzen zulassen, dann wäre auch die strafrechtliche Lage eindeutig geklärt“, erklärt Tatjana Hörnle.

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