Kämpfe um Anerkennung betreffen neben dem Recht, gehört zu werden, regelmäßig auch den Anspruch, geglaubt zu werden. In diesem Sinne lautet eine sich chronifizierende Kritik an Strafverfahren nicht nur hierzulande, diese würden Aussagen einiger Personengruppen, insbesondere von Verletzten in Sexualstrafverfahren, keinen angemessenen Glauben schenken. Diese Kritik berührt die Legitimität des Strafverfahrens und betrifft nicht allein empirische Umstände. Eine der einflussreichsten Ansätze in der Philosophie der Gegenwart, die Theorie der epistemischen Ungerechtigkeit (epistemic injustice) von Miranda Fricker, untersucht Formen der Ungerechtigkeit in der Wissensproduktion und der Zeugenschaft. Mit dieser soll ein philosophischer Blick auf das Strafverfahrensrecht geworfen und der Frage nachgegangen werden, inwieweit epistemische Gerechtigkeit als jedenfalls impliziter strafrechtlicher Verfahrensgrundsatz gelten kann. Darauf aufbauend werden zwei Konstellationen erörtert: Die sog. Unwahrannahme von Zeugenaussagen, die der BGH in einer Leitentscheidung zur Aussageanalytik aufgestellt hat, sowie der rechtliche Umgang mit psychologischen Befunden zu Biases und Denkverzerrungen, die sich vor allem zu Lasten bestimmter Gruppen auszuwirken drohen. Aus beiden ergeben sich Reformvorschläge, u.a. die Aufgabe der Unwahrannahme.
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