Ärger in der Bar: Wer interveniert? Wie? Und warum?
Kriminologische Studie bietet Einblicke in komplexe Entscheidungsprozesse
Wie reagiert jemand, wenn er in einer Bar ist und eine Frau vor seinen Augen sexuell belästigt wird? Wartet er ab, sucht er Hilfe oder greift er physisch ein? Und welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung? Eine aktuelle Studie der Kriminologen Tim Barnum, Shaina Herman, Jean-Louis van Gelder, Denis Ribeaud, Manuel Eisner und Daniel S. Nagin geht diesen Fragen nach. Mit Hilfe einer Szene in der virtuellen Welt wird die Entscheidungsfindung von Menschen als Reaktion auf ein kurzes Videoszenario analysiert, das die sexuelle Belästigung einer jungen Frau in einer Bar zeigt.
Die Studie ist Teil des Forschungsprogramms 360º Virtual Scenario Method, das VR-Technologie einsetzt, um Entscheidungsprozesse „hautnah“ und in Echtzeit zu analysieren.
Die Ergebnisse zeigten, dass die meisten Teilnehmer zwar zustimmten, dass die Handlungen des Täters unangemessen waren, dass aber fast die Hälfte lieber zuschaute und abwartete, als etwas zu unternehmen; nur etwa 30 % der Probanden bereit waren, physisch einzugreifen. Zu den bevorzugten Methoden des Eingreifens gehörten das Anfordern von Hilfe oder das verbale Einschreiten.
„Das bloße Erkennen einer Situation als problematisch motiviert nicht unbedingt zum Eingreifen“, fasst Jean-Louis van Gelder die Ergebnisse zusammen. Einen Einfluss auf die Entscheidung haben allerdings Faktoren wie Prosozialität, Vorerfahrung, körperliche Fähigkeiten, Gefahr, Wut, Billigung von Gewalt und Akzeptanz von Gewalt. Probanden, die vor allem die Gefahr sahen, tendieren dazu abzuwarten, was passiert. Bei Menschen, bei denen der psychologische Faktor der Prosozialität dominiert, intervenierten öfter, indem sie Hilfe holten, etwa an der Bar oder beim Türsteher. Probanden, die mit den Faktoren Wut, körperliche Stärken, soziale Billigung von Gewalt und Akzeptanz von situativer Gewalt assoziiert wurden, waren eher bereit, körperlich in die Situation einzugreifen.
- Die vollständige Studie finden Sie unter https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1745-9125.12380