Wer hilft wem in Krisenzeiten?

Ehrliche und bescheidene Menschen sind eher zu Geldspenden bereit

5. März 2024

Menschen, die besonders ehrlich und bescheiden sind, haben eine größere Spendenbereitschaft als Menschen, bei denen diese Persönlichkeitsmerkmale weniger ausgeprägt sind. Das legt eine Studie der Max-Planck-Forscher­in­nen Büşra Yelbuz und Isabel Thielmann nahe. Die Psychologinnen haben das Spendenverhalten nach dem ver­hee­renden Erdbeben in Syrien und der Türkei zu Jahresbeginn 2023 untersucht.

Am 6. Februar 2023 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,8 auf der Richterskala große Gebiete der Türkei und Syriens und tötete mehr als 62.000 Menschen; mehr als 100.000 Menschen wurden verletzt, Unzählige verloren das Dach über dem Kopf.

Büşra Yelbuz und Isabel Thielmann vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht nahmen die Katastrophe nicht nur zum Anlass, selbst Hilfe zu leisten, sondern über die Spendenbereitschaft zu forschen: Sie untersuchten, ob Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmalen eher dazu bereit sind, nach einer großen Naturkatastrophe in die Tasche zu greifen.

Aus der bisherigen Forschung ist unter anderem bereits bekannt, dass Spenderinnen und Spender tendenziell großzügiger sind, wenn die Opfer ihnen ähnlich sind und physisch näher liegen. Yelbuz und Thielmann richten ihre Aufmerksamkeit nun auf den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit eines Menschen und dessen Spendenverhalten. Hierfür analysierten sie das Spendenverhalten von rd. 500 Deutschen an zwei Wohltätigkeitsorganisationen – eine in der Türkei und eine in Syrien. Die Untersuchung erfolgte rund 3 Wochen nach dem verheerenden Erdbeben, als Hilfe noch unmittelbar und dringend benötigt wurde.

Zwei Ergebnisse stechen besonders hervor:

  1. Menschen, die ehrlich und bescheiden sind, zeigen eine höhere Bereitschaft zu spenden, als Menschen, bei denen dieser Wesenszug nicht stark ausgeprägt ist. Zur Erklärung: Die menschliche Persönlichkeit besteht nach dem in der Psychologie häufig verwendeten HEXACO-Modell aus sechs Faktoren; einer davon ist Ehrlichkeit-Bescheidenheit (Englisch: honesty-humility). Menschen mit einer hohen Ausprägung an Ehrlichkeit-Bescheidenheit gelten als auf­rich­tig, fair und genügsam. Außerdem halten sie sich an Regeln und haben kein Interesse an ver­schwen­deri­schem Luxus. Bei der von Yelbuz und Thielmann durchgeführten Studie waren es Teilnehmende mit diesem speziellen Merkmal, die bei der Spendenbereitschaft besonders herausragten.
  2. Die Opfer in Syrien wurden von einem Viertel der Studienteilnehmenden als bedürftiger wahrgenommen als die Opfer in der Türkei. Die Gründe hierfür hat die Studie nicht untersucht; aber eine Konsequenz hat dieser Unterschied in der wahrgenommenen Bedürftigkeit: Jede*r vierte Teilnehmende spendete mehr an Opfer aus Syrien als an Opfer aus der Türkei.

„Im Angesicht von schlimmen Naturkatastrophen wie dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien helfen Menschen, die Geld spenden, freiwillig anderen Menschen, ohne dass sie selbst einen Nutzen daraus ziehen. In der Psychologie sprechen wir dabei von prosozialem Verhalten“, erklärt Forscherin Yelbuz. „Menschen, die besonders ehrlich und bescheiden sind, spielen dabei eine herausragende Rolle.“ Ihnen ist das Wohlergehen anderer Menschen besonders wichtig, sie sind ein wichtiger Pfeiler der humanitären Hilfe.


Isabel Thielmann leitet am Max-Planck-Institut die unabhängige Forschungsgruppe Personality, Identity, and Crime, die sich mit interindividuellen Unterschieden in (un-)ethi­schem und prosozialem vs. antisozialem Verhalten befasst. Büşra Yelbuz ist seit 2022 Doktorandin in der Forschungsgruppe.

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