Die Angst vor Kriminalität bleibt

Kriminologische Studie zu den Auswirkungen von starker Straßenbeleuchtung und Watching-Eyes-Effekt

8. Februar 2024

Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität wie zum Beispiel eine helle Straßen­beleuch­tung, können dazu führen, dass weniger Straftaten begangen werden. Sie helfen allerdings nicht dabei, den Menschen die Angst vor Kriminalität zu nehmen. Im Gegenteil können sie manchmal sogar kontraproduktiv sein. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Virtual-Reality-Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg gemeinsam mit der Universität Leiden.

Es ist seit Langem bekannt, dass Veränderungen in der Umgebung dazu führen können, dass weniger Straftaten begangen werden. So kann z. B. eine bessere Straßen­beleuch­tung eine abschreckende Wirkung haben, da potenzielle Täter so eher gesehen werden. Frühere Untersuchungen haben ebenfalls gezeigt, dass das Anbringen von Bildern von Augenpaaren, die dazu führen, dass sich Menschen beobachtet fühlen, diese von Straf­taten abhalten kann – man spricht in der Kriminologie vom sogenannten Watching-Eyes-Effekt. Doch können diese Maßnahmen, die sich bei der Reduzierung von Krimi­nali­tät bewährt haben, Menschen auch die Angst vor Kriminalität nehmen? Welche Auswirkungen haben sie auf Normalbürgerinnen und -bürger?

In einer völlig neuartigen Studie in der virtuellen Realität haben Kriminologinnen und Kriminologen aus Deutschland, den Nieder­lan­den und Großbritannien – darunter Patrick McClanahan, Aniek Siezenga und Jean-Louis van Gelder vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht – nun herausgefunden, dass bestimmte Maßnahmen, die sich positiv auf einen Rückgang von Kriminalität auswirken, sich nicht automatisch auch als Maßnahmen zum Abbau von Ängsten eignen.

So sorgt eine hellere Straßenbeleuchtung nicht dafür, dass Teilnehmende weniger Angst zeigen. „Eine dynamische Beleuchtung mit Bewegungsmelder hat sich bei Straftaten als abschreckender Faktor bewährt. Weniger Angst vor Kriminalität scheinen die Menschen dadurch aber nicht zu haben,“ berichtet Senior Researcher Patrick McClanahan. Von der Erkenntnis zeigt sich der Wissen­schaftler überrascht, da frühere Studien zu anderen Ergebnissen gekommen waren. „Ich gehe davon aus, dass es auf die genauen Beleuchtungsverhältnisse ankommen könnte. Das müssen wir weiter untersuchen.“

Während eine hellere Beleuchtung die Kriminalitätsfurcht also nicht senkt, haben Watching-Eyes-Maßnahmen gar zur Folge, dass die Angst vor Kriminalität steigt. „Einer der Gründe, warum Watching-Eyes-Szenarien überhaupt eine abschreckende Wirkung haben, ist, dass Leute sich ein bisschen unbehaglich und beobachtet fühlen,“ erklärt McClanahan. „Daher ist es nicht über­raschend, dass solche Maßnahmen sich ganz unbeabsichtigt kontraproduktiv auswirken und zu mehr Angst vor Kriminalität führen können.“

Allgemein führt Kriminalitätsfurcht dazu, dass sich die Menschen in ihrem Wohngebiet wenig en­ga­gie­ren und dass öffentliche Orte ungenutzt bleiben. Dadurch leidet die Wohnqualität. „Wir müs­sen verstehen, welche Aspekte einer Maßnahme welche Auswirkungen haben, und heraus­fin­den, ob und wie in der Zukunft Maßnahmen eingesetzt werden können, die bei Menschen Ängste abbauen – aber auch, welche unbeabsichtigten Konsequenzen sie haben können“, erklärt McClanahan. Die vorliegende Studie diene als Ausgangspunkt, um die Randbedingungen – d. h. die Bedingungen, unter denen eine Maßnahme Wirkung zeigt oder eben nicht – besser abzustecken. Davon könnten Menschen weltweit profitieren, indem Ängste abgebaut und Gemeinschaftsleben und Wohnqualität gestärkt würden.

Die Studie wurde in Kooperation mit der Universität Leiden (Niederlande) durchgeführt.

Virtuelle Realität in der Kriminologie

Am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht forschen Wissen­schaft­ler­innen und Wissenschaftler der drei Abteilungen Strafrecht, Kriminologie, Öffentliches Recht – auch interdisziplinär – zu den Grundfragen des Strafrechts, des Sicherheitsrechts und der Kriminologie.

In der Abteilung für Kriminologie werden Forschungsstudien und Experimente in der virtuellen Realität (VR) durchge­führt. Durch den VR-Ansatz lassen sich Verhaltensweisen in der echten Welt abbilden, während gleichzeitig kontrollierte Bedingungen wie in einer Laborumgebung gegeben sind. Gleichzeitig können die Wahrnehmungen und Einstellungen der Teilnehmenden analysiert werden, u.a. durch Eye-Tracking und durch die Erfassung biometrischer Daten. Beim Thema Kriminalität kann die virtuelle Realität besonders hilfreich sein, da Straftaten im Allgemeinen im Verborgenen begangen werden und damit nicht anhand der üblichen Methoden im Rahmen wissenschaftlicher Studien beobachtet werden können.

Seit dem Jahr 2022 werden Studien im kriminologischen Virtual-Reality-Forschungslabor MAXLab durchgeführt. Das in der Freiburger Innenstadt gelegene Labor ist das weltweit erste unabhängige Forschungslabor, das diese Art von kriminologischer Forschung mit Hilfe von virtueller Realität durchführt.

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