Angespanntes Verhältnis
Deutsch-französische Vergleichsstudie zeigt Hintergründe der Jugendgewalt in Frankreich auf
Diskriminierende Personenkontrollen und ein oftmals harscher Umgangsstil tragen in Frankreich wesentlich zu dem angespannten Verhältnis zwischen Polizei und Jugendlichen, vor allem aus nordafrikanischen Herkunftsfamilien, bei. Jugendliche nordafrikanischer Herkunft werden sehr viel häufiger als einheimisch-französische Jugendliche von der Polizei angehalten und durchsucht, während eine entsprechende diskriminierende Praxis in Deutschland kaum zu beobachten ist.
Das geht aus einer Studie von Dietrich Oberwittler (Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht) und Sebastian Roché (University Grenoble-Alpes) hervor. Hierfür haben die beiden Forscher zusammen mit einem deutsch-französischen Team mehr als 15.000 Jugendliche in zwei französischen und zwei deutschen Städten zwischen 2009 und 2012 befragt und umfangreiche qualitative Beobachtungen in allen vier Städten durchgeführt.

Verkehrskontrollen wie die, bei der ein französischer Jugendlicher von einem Polizeibeamten erschossen wurde, führen in Frankreich sehr viel häufiger zu Provokationen und Gewalt von beiden Seiten. Nach den Ergebnissen der Studie endete fast jede fünfte Verkehrskontrolle in Frankreich nach Aussage der befragten Jugendlichen mit einer Gewaltanwendung durch die Polizei, und bei fast jeder dritten Verkehrskontrolle reagierten die Jugendlichen mit Widerstand und Provokationen gegen die Polizei, während die in Deutschland ebenso häufigen Verkehrskontrollen von den betroffenen Jugendlichen nicht als konfliktreich berichtet wurden.
Die Forscher interpretieren den konfrontativen Umgangsstil der französischen Polizei als Ausdruck einer letztlich kontraproduktiven Machtdemonstration des Staates gegenüber den Jugendlichen in den benachteiligten Stadtvierteln. „Eine wirkliche Verbesserung der Lage in Frankreich ist nur durch eine grundlegende Neuorientierung der Polizeiarbeit zu erwarten, die nicht einseitig auf Repression setzt, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zum Ziel hat“, erklären Oberwittler und Roché.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Policing & Society veröffentlicht und sind Teil des deutsch-französischen Forschungsprojekts POLIS, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence nationale de la recherche gefördert wurde.