MAXLab Freiburg

Max-Planck-Institut eröffnet kriminologisches Virtual-Reality-Forschungslabor in der Freiburger Innenstadt

15. Juli 2022

Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg hat ein kriminologi­sches Forschungslabor in der Freiburger Innenstadt eröffnet. Im MAXLab Freiburg werden Forschungs­studien und Experimente mit Virtual Reality und anderen neuen Technologien durchgeführt. Dabei handelt es sich um das erste eigenständige Forschungslabor, das diese Art von kriminologischer Forschung mit Hilfe von Virtual Reality betreibt.

„In unserem Fachbereich Kriminologie legen wir den Schwerpunkt unserer Forschung künftig stärker auf die experimentelle Forschung“, erklärt Jean-Louis van Gelder, Leiter der Abteilung Kriminologie am Max-Planck-Institut und Gründer von MAXLab Freiburg. Das Anliegen der empirischen Kriminologie sei es, mehr darüber herauszufinden, wie Straftäter ihre Entscheidungen fällen und was in ihnen vorgeht, während sie eine Straftat begehen.

Die üblichen Untersuchungsmethoden wie Fragebögen und Beobach­tun­gen kämen bei dieser Art der Forschung an ihre Grenzen. „Es hat sich gezeigt, dass wir nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, unser Verhalten in solchen Situationen angemessen vorherzusehen“, er­läu­tert der Psychologieprofessor. Deswegen setzen die Freiburger Forschenden auf neue Technologien wie Virtual Reality (VR). Mit Hilfe von VR-Headsets können Proband*innen in bestimmte Situationen versetzt und ihr Verhalten untersucht werden. Sie tauchen in die VR-Welt ein, die so real scheint, dass das daraus resultierende Verhalten effektiv analysiert werden kann.

 

Aktuelle Projekte
 

   1. Virtual Burglary – Studien mit responsiver Technologie zum Verhalten von Einbrechern

Das Forschungsprojekt Virtual Burglary nutzt Virtual-Reality-Versionen von Wohngebieten, um das Verhalten von Ein­bre­chern zu untersuchen. Das Besondere: Die Studie wird in Gefängnissen – bei verurteilten Einbrechern – durchgeführt. Diese „Experten“ erkunden die virtuelle Wohngegend so, als ob sie dort einen Einbruch begehen wollten. Dabei treffen sie auf verschiedene Abschreckungsszenarien (Beleuchtung, Geräusche, etc.). Ziel der Studie ist es zu messen, wie sich diese Arten der indirekten Abschreckung auf das Vorgehen und die Risikowahrnehmung der Einbrecher auswirken. Eye-Tracking-Daten und räumliches Verhalten der Teilnehmer helfen dabei zu beurteilen, ob und wie gut die verschiedenen Abschreckungsmaßnahmen funktionieren.

Das Ziel: Das Verhalten von Einbrechern soll besser verstanden werden. Mögliche Präventionsmaßnahmen können erarbeitet werden und den Einbrechern künftig „die Arbeit schwerer machen“. 

 

   2. FutureU – Wie der Blick in die eigene Zukunft kriminellem Verhalten entgegenwirken kann

Mit dem FutureU-Projekt sollen jugendliche Straftäter lernen, zukunftsorientiert zu denken und zu handeln.  Denken sie an die Konsequenzen, die ihr Handeln in der fernen Zukunft haben kann, verändert das ihr Verhalten in der Gegenwart und sie lassen – so die Hoffnung der Wissenschaftler*innen – von kriminellen Taten ab.

In der Studie werden Jugendliche mithilfe von technischen Hilfsmitteln (virtuelle Realität oder Smartphone App) mit ihrem 10 Jahre älteren Selbst, also ihrem „Future Self“, konfrontiert. Untersucht wird, ob eine visuelle Vorstellung von der eigenen Zukunft zukunftsorientiertes Denken und Verhalten anregen und somit die Entscheidung, eine kriminelle Tat zu begehen, verhindern kann.

 

   3. A Virtual Night Out – Studie zur Entscheidungsfindung in einem lebensnahen Umfeld

In diesem Projekt wird untersucht, welchen Einfluss Emotionen auf unsere Entscheidungen haben. Die Forschenden wollen herausfinden, ob Menschen eher bereit sind, eine krimi­nel­le Tat zu be­gehen, wenn sie wütend sind.

Hierfür wurden virtuelle „Kneipen“-Szenarien entwickelt. Die Proband*innen werden mit unterschiedlichen Situationen wie einer Schlägerei bzw. einem sexuellen Übergriff konfrontiert. Mithilfe dieser Szenarien wird untersucht, ob bestimm­te Emotionen Reaktionen bei den Studienteilnehmern auslösen und ob diese Emotionen sie in der Folge dazu bringen, aggressive Handlungen zu begehen.

 

Forschungsergebnisse wichtig für Polizei und Justiz

„Wir glauben, dass man nur dann wirklich verstehen kann, wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren, wenn man sie in diese Situationen versetzt“, erklärt Jean-Louis van Gelder. „Durch den Einsatz von Virtual-Reality-Brillen, Eye-Tracking-Technologie und der Aufzeichnung von Bewegungsmustern können wir viel besser analysieren und verstehen, wie kriminelles Verhalten entsteht.“

Aus den Ergebnissen der Studien können in der Folge konkrete Hinweise erarbeiten werden, wie Kriminalität verhindert und ihre schädlichen Folgen minimiert werden können. Die Forschungsergebnisse fließen in die Ausbildung von Polizei und Justiz ein und helfen bei der Erarbeitung neuer Strategien und Gesetze.

 

Pressefotos finden Sie unter owncloud.gwdg.de/index.php/s/4tdO0eojIHnE3WY (Copyright: MAXLab Freiburg).


  • Jean-Louis van Gelder ist seit 2019 einer von drei Di­rektor*innen am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Frei­burg. Der Psychologe (Promotion 2012) und Jurist (Promotion 2009) leitet dort die Abteilung Kriminologie. 
  • Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht ist das führende europäische Forschungszentrum in den Bereichen Strafrecht, Kriminologie und öffentliche Sicherheit. Die am Institut betriebene Forschung ist vergleichend, international und interdisziplinär ausgerichtet. Das Institut ist Teil der Max-Planck-Gesellschaft. Das hohe Niveau der dort betriebenen Grundlagenforschung spiegelt sich nicht zuletzt in den 29 Nobelpreisen wider, die Max-Planck-Wissenschaftler*innen seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 1948 erhalten haben.
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