Polizeidienst: ungleiche Chancen auf Zugang
Eine Studie zeigt: Menschen mit Migrationshintergrund haben es bei der Bewerbung oft schwerer
Der Polizei ist Diversität bei ihrer Nachwuchswerbung wichtig. Grundsätzlich besteht an Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund Interesse. Doch es gibt Diskriminierungsrisiken beim Zugang zum Polizeidienst. Untersucht hat das die Soziologin Sabrina Ellebrecht. Ihre Studie sowie weitere Erkenntnisse des Projekts „ZuRecht – Die Polizei in der offenen Gesellschaft“ sind jetzt in einem Sammelband erschienen.

Diversität wird in der Nachwuchswerbung bei der Polizei bedacht. Grundsätzlich besteht an Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund Interesse. Doch haben diese Bewerbungen dieselben Chancen?
Um dies herauszufinden, hat die Max-Planck-Wissenschaftlerin Sabrina Ellebrecht, die zu Beginn des Projekts noch am Centre for Security and Society (CSS) der Universität Freiburg tätig war, Erfolgsquoten und Testergebnisse von Bewerberinnen und Bewerbern mit und ohne Migrationshintergrund verglichen und Bewertungsvorgänge von Personalern analysiert. So konnte sie Schritte und Testelemente identifizieren, die als Filter fungieren und grundsätzlich zum Ausschluss aus dem Verfahren führen können.
Das Ergebnis: Beim Zugang zum Polizeidienst gibt es Diskriminierungsrisiken. „Interessanterweise finden sich diese Risiken schon in der Vorselektion und den kognitiven Leistungstests, in denen die Bewerber noch anonym gegenüber der Organisation sind und die eine Diskriminierung dadurch eigentlich vermeiden wollen“, berichtet Ellebrecht.
Diskriminierungsrisiko aufgrund der Cultural Load
Woraus bestehen die Diskriminierungsrisiken? Vorneweg: Es liegt nicht an schlechteren Bildungsvoraussetzungen der Bewerbenden. Dennoch wurden migrantische Bewerberinnen und Bewerber trotz eines deutschen Abiturs durch sprachlastige Testelemente stärker herausselektiert. Woran die meisten von ihnen scheiterten, waren zudem Testfragen, in denen sie angeben sollten, wie sie sich als Polizistin/als Polizist in typischen oder kritischen Situationen aus dem Polizeialltag verhalten würden, etwa beim Überbringen einer Todesnachricht. Hier kann es aufgrund einer anderen Sozialisation zu einem Diskriminierungsrisiko aufgrund der Kulturlastigkeit (cultural load) der Testaufgabe kommen, lautet das Ergebnis.
„An vielen Stellen wurden Risiken für Ungleichbehandlungen und auch Widersprüche im Umgang mit Vielfalt und Diversität deutlich“, fasst Ellebrecht zusammen. Sie sieht die Polizeibehörden in der Pflicht zu überprüfen, ob manche Bewerbergruppen durch nicht-intendierte Verzerrungen der Tests benachteiligt werden. Es sei wichtig, Diskriminierungsrisiken zu kennen, um bewusst mit ihnen umgehen zu können.
Bislang seien dem Lob der Vielfalt noch kaum Veränderungen gefolgt – „weder in Bezug auf die Auswahlkriterien für den Polizeidienst, noch in Bezug auf Ausbildungsinhalte“, kritisiert die Wissenschaftlerin. Dabei sei Diversität in der Polizei enorm wichtig. „Bei Diversität geht es nicht nur um soziale Fähigkeiten, es ist auch ein Thema der inneren Sicherheit. Das wird besonders deutlich, wenn es etwa um Hasskriminalität und rassistisch motivierte Straftaten geht.“
Die Untersuchung ist ein Teilprojekt des interdisziplinären Projekts „ZuRecht – Die Polizei in der offenen Gesellschaft“, (2019–2024). Das aus insgesamt sieben Teilprojekten bestehende Projekt wurde von Sabrina Ellebrecht und Stefan Kaufmann (beide damals Centre for Security and Society der Universität Freiburg), Stefan Jarolimek von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster sowie Ralf Poscher, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, geleitet und von der Stiftung Mercator gefördert.
Ein nun erschienener Sammelband fasst alle Teilprojekte zusammen:
Downloads zu weiteren interessanten Publikationen aus dem Sammelband:
- Andreas Zick: Wie antidemokratische Ideologien Institutionen und Zivilgesellschaften das Leben schwer machen und eine würdebasierte Prävention ihnen vorbeugen kann
- Doris Liebscher: Diskriminierung. Ein Fall für die Polizei
- Laura Wisser: Drei Probleme, eine Lösung? – Möglichkeiten einer repräsentativen Personalgestaltung in der deutschen Polizei
- Biplab Basu und Karim Fereidoon: Polizeiarbeit rassismuskritisch gestalten – Ein Maßnahmenkatalog