Beweisstandards, Fehlbarkeit und zweifelsfreie Überzeugungen

Gastvortrag am 29.09.2021, 18:00 c.t.

16. September 2021

Gastvortrag von Prof. Dr. Geert Keil (Humboldt-Universität zu Berlin) am Mittwoch, 29.09.2021, 18:00 c.t., HS 1010, KG I, Platz der Universität 3, 79098 Freiburg
– in Kooperation mit dem Institut für Staatswissenschaft & Rechtsphilosophie der Universität Freiburg –

In einem Leiturteil zum Beweismaß hat der BGH 1970 ausgeführt, dass für die richterliche Überzeugung ein »Grad von Gewissheit« gefordert sei, der unterhalb einer »von allen Zweifeln freien Überzeugung« liegen mag, aber über eine bloß »an Sicherheit gren­zen­de Wahrscheinlichkeit« hinausgeht. Ersteres fordere das Beweisrecht nicht, Letzteres reiche nicht aus (BGHZ 53, 245 ff.).
Aus erkenntnistheoretischer Sicht ist klärungsbedürftig, ob in diesen engen Korridor noch ein doxastischer Zustand hin­einpasst. Im BGH-Urteil ist von der »Überzeugung«, der »Wahrheit einer Behauptung« und dem erforderlichen »Grad an Gewissheit«, die Rede, aber der Begriff des Wissens, in dem diese Elemente zusammenfließen und aufeinander bezo­gen werden, wird vermieden. In der Erkenntnistheorie ist umstritten, ob die unaufhebbare menschliche Fehlbarkeit mit der An­nahme zusammenpasst, dass Menschen Wissen erlangen können. Der Vortrag skizziert die Grundzüge eines falli­bi­lis­ti­schen Wissensbegriffs und vergleicht die Heraus­for­derung, einen angemessenen Korridor für das Beweismaß zu spezi­fi­zie­ren, mit der erkenntnistheoretischen Heraus­for­derung, die menschliche Irrtumsanfälligkeit mit dem Wissens­anspruch zu vereinbaren.


Geert Keil ist Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und gegenwärtig Präsident der Gesell­schaft für Analy­ti­sche Philosophie (GAP). Seine jüngste Buchpublikation zur Erkenntnistheorie Wenn ich mich nicht irre. Ein Versuch über die menschliche Fehlbarkeit erschien 2019 im Reclam-Verlag (Stuttgart). Gemeinsam mit Ralf Poscher hat er die Bände Vagueness and Law. Philosophical and Legal Perspectives (Oxford University Press 2016) und Unscharfe Grenzen im Technik- und Umweltrecht (Nomos 2012) herausgegeben.


Der Vortrag wird von einer ausführlichen Powerpoint-Präsentation in englischer Sprache begleitet.  
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