Die digitale Vernetzung aller Lebensbereiche durch Informations- und Kommunikationstechnologie hat in den letzten Jahren nicht nur zu einem elementaren Wandel der Gesellschaft geführt, sondern stellt auch Strafverfolgungsbehörden vor neue Herausforderungen. Das Projekt zielt auf die Erarbeitung eines Vorschlages ab, wie den gesellschaftlichen und technischen Änderungen im Bereich der Telekommunikation im Wege einer Reform der strafprozessualen Eingriffsgrundlagen begegnet werden kann.
Abteilung: Strafrecht (Prof. Sieber) Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen des Strafrechts und neue Formen der Sozialkontrolle Projektstatus: abgeschlossen Projektdauer: Projekt Startdatum: 2012
Projekt Enddatum: 2018
Die digitale Vernetzung aller Lebensbereiche durch Informations- und Kommunikationstechnologie hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem elementaren Wandel der Gesellschaft geführt. Nachdem sich die E-Mail schon vor geraumer Zeit als eines der wichtigsten Telekommunikationsmedien etablieren konnte, gewann in den letzten Jahren auch der alltägliche Austausch von Informationen über eine Vielzahl unterschiedlicher Plattformen – z.B. soziale Netzwerke oder Messenger – massiv an Bedeutung. Mündliche Kommunikation wird zunehmend mithilfe internetbasierter und meist verschlüsselter Techniken wie Voice-over-IP geführt. Gleichzeitig ermöglichen Endgeräte wie Smartphones oder Tablets ständige Erreichbarkeit über variable Kommunikationskanäle. Informationsaustausch, der zuvor überwiegend im direkten und persönlichen Kontakt betrieben wurde, findet nun über das Internet statt. Auch die Kommunikation zwischen Computersystemen wird das Alltagsleben – etwa im Rahmen des „Internet der Dinge“ oder durch die Verlagerung von Anwendungen, Rechenleistung und Speicherplatz in die Cloud – immer stärker durchdringen.
Dieser technologische und soziale Wandel hat für Strafverfolgungsbehörden zwar grundsätzlich eine Vielzahl neuer Ermittlungsinstrumente geschaffen, gleichzeitig haben diese – vielfach nur abstrakt vorhandenen – Möglichkeiten die Ermittler jedoch auch vor beträchtliche Herausforderungen gestellt, da hergebrachte Ermittlungsmethoden in Anbetracht des rapiden technischen Wandels an ihre technischen und rechtlichen Grenzen geraten. Neben den territorialen Grenzen des Strafrechts stehen in diesem Zusammenhang vor allem die funktionalen Grenzen des Strafprozessrechts und – damit einhergehend – des Verfassungsrechts infrage. So ist auf Ebene des Letzteren oftmals ungeklärt, welches grundrechtliche Schutzniveau den jeweiligen Arten der Internetkommunikation in zeitlicher, sachlicher und örtlicher Hinsicht zukommt. Auf einfach-rechtlicher Ebene korrespondiert diese Problematik mit der Frage, ob die in diesem Kontext angewandten neuartigen Ermittlungsmethoden überhaupt durch vorhandene Eingriffsgrundlagen gedeckt sind, etwa beim viel diskutierten Einsatz von Überwachungssoftware oder der Überwachung des IP-Datenstroms eines Anschlusses. Zudem ist (etwa beim Zugriff auf (zwischen-)gespeicherte Daten) bislang unklar, wie Eingriffsermächtigungen in Anbetracht der Erosion klassischer Telekommunikationsformen noch voneinander abgegrenzt werden können.
Die Arbeit zielt auf einen Vorschlag ab, mit dessen Hilfe den Herausforderungen dieses Wandels im Wege einer Reform der einschlägigen Rechtsgrundlagen (insb. des 8. Abschnitts der StPO) begegnet werden kann. Dazu werden zunächst sowohl die technischen Voraussetzungen der Telekommunikation als auch die in diesem Kontext relevanten Ermittlungsmethoden ausführlich analysiert, um daraus einen funktionalen Telekommunikationsbegriff zu bilden, der Grundlage der anschließenden rechtlichen Betrachtung ist. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird sodann systematisch dargestellt, inwieweit die jeweiligen Ermittlungsmethoden durch den derzeitigen rechtlichen Rahmen gedeckt sind, wobei neben dem nationalen Recht auch das einschlägige europäische und internationale Recht in die Analyse einbezogen wird. Zudem werden Modelle herausgearbeitet, anhand derer sich die normative Erfassung der Telekommunikation in den jeweiligen Regelungen beschreiben lässt. Durch einen Vergleich dieser normativen Modelle mit den rechtstatsächlichen Grundlagen wird schließlich ein System entwickelt, das als Grundlage für einen kohärenten Reformvorschlag dient.
Die Untersuchung ist weitgehend abgeschlossen und soll im 3. Quartal 2018 publiziert werden.