Rui, J. P., & Sieber, U. (Eds.). (2015). Non-Conviction-Based Confiscation in Europe : Possibilities and Limitations on Rules Enabling Confiscation without a Criminal Conviction (Vol. S 146) Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht : Strafrechtliche Forschungsberichte. Berlin: Duncker & Humblot. doi:10.30709/978-3-86113-809-9
Das Projekt analysiert den international an Bedeutung gewinnenden Ansatz, Gewinne aus Straftaten nicht mit einer strafrechtlichen Verurteilung einzuziehen, sondern davon unabhängig als sog. „non conviction based confiscation“. Dieser Verzicht auf „Strafrecht“ soll die hohen strafrechtlichen Beweisanforderungen vermeiden. Die Untersuchung analysiert die einschlägigen internationalen Modelle für ein solches Vorgehen, ihre Effektivität und ihre Vereinbarkeit mit menschenrechtlichen Garantien.
Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen des Strafrechts und neue Formen der Sozialkontrolle Projektstatus: abgeschlossen Abteilung: Strafrecht (Prof. Sieber) Projektdauer: Projekt Startdatum: 2012
Projekt Enddatum: 2015- Gruppieren nach:2015Sammelwerk
Rui, J. P., & Sieber, U. (Eds.). (2015). Non-Conviction-Based Confiscation in Europe : Possibilities and Limitations on Rules Enabling Confiscation without a Criminal Conviction (Vol. S 146) Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht : Strafrechtliche Forschungsberichte. Berlin: Duncker & Humblot. doi:10.30709/978-3-86113-809-9
EnglischRui, J. P., & Sieber, U. (Eds.). (2015). Non-Conviction-Based Confiscation in Europe : Possibilities and Limitations on Rules Enabling Confiscation without a Criminal Conviction (Vol. S 146) Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht : Strafrechtliche Forschungsberichte. Berlin: Duncker & Humblot. doi:10.30709/978-3-86113-809-9
Der Satz „crime should not pay“ entspricht nicht nur einer allgemeinen Überzeugung. Dass Verbrechen sich nicht lohnen dürfen, ist auch ein grundlegendes Prinzip der Gerechtigkeit und zentrales Element einer erfolgreichen Kriminalpolitik. Letzteres gilt besonders im Bereich von wirtschaftlich kalkulierenden Staftätern, insb. im Berereich der Wirtschaftskriminalität.
In der Praxis werden dieser Grundsatz und dieses Erfordernis einer effektiven Kriminalpolitik derezeit nicht erfolgreich umgesetzt. Die Europäische Kommisssion stellte dazu 2012 fest, dass die Konfiszierung von strafbar erlangtem Vermögen in Europa viel zu wenig verwirklicht wird. Der Grund für diese Situation ist darin begründet, dass in den meisten europäischen Staaten die Einziehung von Verbrechensgewinnen eine strafrechtliche Verurteilung des Täters und einen klaren Herkunftsnachweis der einzuziehenden Vermögenswerte voraussetzt, dies jedoch an den hohen strafrechtlichen Beweisanforderungen (insb. dem Grundsatz „in dubio pro reo“) scheitert.
In vielen Staaten wird deswegen darüber nachgedacht, die Einziehung von Straftatgewinnen von einer strafrechtlichen Verurteilung zu „entkoppeln“. Einzele Staaten haben insoweit auch bereits erfolgreiche Einziehungsmodelle entwickelt, die anschaulich mit dem Begriff der „non conviction based asset forfeiture“ umschrieben werden. Diese Modelle verzichten auf eine strafrechtliche Verurteilung und z.T. auch auf einen strafrechtlichen Vorwurf gegen den Täter, fordern dann aber für die Einziehung auch keinen vollen Tat- und Herkunftsnachweis im Hinblick auf die vermuteten illegalen Gewinne. Die entsprechenden Vorgehensweisen werden dabei teilweise als zivilprozessuale Verfahren konstruiert, in denen andere Beweisstandards gelten als im Strafrecht. Eine weitere Konstruktion verläuft entlang einer präventiv-polizeilichen Begründung, nach der Geld in der Verfügungsmacht von gefährlichen Personen eine Gefahr darstellt und deswegen entzogen werden kann. Auf dieser Grundlage werden einem mutmaßlichen Straftäter Vermögenswerte z.B. entzogen, wenn er schon einmal wegen bestimmter Straftaten verurteilt wurde und die legale Herkunft seines Vermögens nicht nachweisen kann.
In den USA werden entsprechende Verfahren teilwesie nicht nur gegen Personen geführt, sondern auch gegen bestimmte Sachen oder Gelder, deren Eigentümer dabei nicht bekannt sein muss. Falls der Eigentümer sich nicht meldet und nicht persönlich zur Verteidigung seines Vermögens in den USA erscheint, wird das Vermögen eingezogen. Dieses Vorgehen zeigt erneut die aktuelle kriminalpolitische Tendenz, das Strafrecht aufgrund seiner rechtsstaatlichen Sicherungen zu meiden und auf andere Rechtsdisziplinen des entstehenden neuen Sicherheitsrechts auszuweichen.
Das Projekt analysiert deswegen die entsprechenden Konstruktionen im amerikanischen, englischen, italienischen und deutschen Recht. Es untersucht weiter, ob und inwieweit diese Vorgehensweisen strafrechtliche Garantien umgehen und verletzen oder aus allgemeinen Gesichtspunkten des europäischen Menschenrechtsschutzes rechtswidrig sind. Ziel ist die Bestimmung des legitimen Anwendungsbereichs der neuen effektiven Strategien der „non-conviction based asset forfeiture“ unter Beachtung des europäischen Menschenrechtsschutzes sowie weiterer nationaler Garantien. Die für das Projekt erstellten Berichte wurden dazu 2012 auf einem Seminar in Tromsø, Norwegen, diskutiert. Sie werden 2015 in einer Monographie veröffentlicht.
Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei seiner Reform des Einziehungsrechts im Jahr 2016 in vorsichtiger Weise ein Stück in die von dieser Studie favorisierte Richtung bewegt.