Mit der voranschreitenden Entwicklung der Internetgesellschaft spielen die Internet-Service-Provider (ISP) eine immer wichtigere Rolle. Umstritten ist, inwieweit ein ISP für die rechtswidrigen Inhalte oder die illegalen Handlungen seiner Nutzer verantwortlich sein soll. In einer vergleichenden Untersuchung werden die wichtigsten Ansätze zur Lösung des Problems in Deutschland und China erarbeitet und bewertet.
Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen des Strafrechts und neue Formen der Sozialkontrolle Abteilung: Strafrecht (Prof. Sieber) Projektstatus: abgeschlossen Projektdauer: Projekt Startdatum: 2015
Projekt Enddatum: 2017
Mit der voranschreitenden Entwicklung der Internetgesellschaft sind Internet-Service-Provider (ISP) zu einem wichtigen Rechtssubjekt geworden. Umstritten ist allerdings, inwieweit diese für rechtswidrige Inhalte oder illegale Handlungen von Dritten (die meist schwer zu identifizieren sind) verantwortlich sein sollen. In Deutschland wurden die entsprechenden Regelungen im Anschluss an den bekannten CompuServe-Fall und eine EU-Richtlinie gesetzlich geklärt. Ein ähnlicher Fall führte in China zu einer gleichgelagerten Diskussion.
Das Forschungsprojekt untersucht und systematisiert die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ISP in einem Rechtsvergleich zwischen Deutschland und China. In der Einleitung wird die Problematik im Allgemeinen kurz beschrieben. Der zweite Teil behandelt die technischen Hintergründe als Basis der Untersuchung. Im dritten und vierten Teil wird die Regelung der Verantwortlichkeit der ISP in der deutschen und der chinesischen Rechtsordnung erläutert. Im Einzelnen werden die Definition und die Typen der ISP, deren rechtliche Privilegierungen, die allgemeinen Probleme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der ISP und der gesetzlich nicht geregelten ISP detailliert untersucht. Im fünften Teil werden die Ergebnisse der beiden Rechtssysteme vergleichend gegenübergestellt.
Bezüglich der Verantwortlichkeit der ISP bestehen sowohl in Deutschland als auch in China eine Reihe von Rechtsnormen. Diese Regelungen mit ihren unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen werden zunächst im Wege einer dogmatischen Analyse ausführlich analysiert. Rechtsvergleichend werden im Anschluss die unterschiedlichen Rechtsquellen der Länder und die Verbindlichkeit dieser Rechtsquellen betrachtet. Die verschiedenen Systeme der Rechtsquellen und ihre rechtliche Geltung haben zu unterschiedlichen Regulierungsmodellen geführt. Die Rechtsvergleichung legt die Vor- und Nachteile beider Modelle offen. Anschließend werden die Rechtsnormen und die Legitimität der Verantwortung von ISP bewertet.
Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass der gesetzliche Rahmen für die Verantwortlichkeit der ISP in Deutschland eine vergleichsweise moderate Tendenz aufweist. Obwohl es viele gegensätzliche Auffassungen in der theoretischen Diskussion über dieses Thema gibt, wird von der herrschenden Meinung eine die Haftung der ISP beschränkende Ansicht vertreten. Dies führt allerdings dazu, dass kriminelle Verhaltensweisen in bestimmten Konstellationen rechtlich nicht wirksam verhindert und verfolgt werden können. Ein Beispiel dafür ist die zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität im Netz. Um diese effektiver zu kontrollieren, wurde vom Gesetzgeber im Jahr 2017 zusätzlich noch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet. Allerdings wird dieses sowohl von Juristen als auch von Internetnutzern stark kritisiert, weil es für die Anbieter der sozialen Netzwerke eine Reihe neuer Verpflichtungen mit sich gebracht hat und die Gefahr einer Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit in sich trägt.
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in China kein einschlägiges Gesetz wie das Telemediengesetz das sich speziell mit der Verantwortlichkeit der ISP befasst und einen umfassenden Geltungsbereich hat. Die Privilegierungsregelungen der ISP finden sich hauptsächlich in den zivilrechtlichen Normen. Bislang wird in der Literatur nicht ausreichend diskutiert, ob und wie diese Regelungen im strafrechtlichen Bereich angewendet werden können. Es ist zudem auffällig, dass anders als im deutschen StGB im chinesischen Recht spezielle strafbegründende Regelungen für die Verantwortlichkeit der ISP geschaffen wurden. Wie effektiv diese Paragrafen sind und welche Auswirkungen sie in Zukunft haben werden, bleibt abzuwarten. Es darf nicht vergessen werden, dass ein erweiterter strafrechtlicher Rechtsrahmen im einzelnen Fall nicht unbedingt zu strengerer Verantwortlichkeit führt, da die Rechtspraxis eine wichtige Rolle spielt.