Unabhängige Forschungsgruppe Space, Contexts, and Crime
Die Forschungsgruppe beschäftigt sich mit der Rolle von räumlichen Kontexten in der kriminologischen Forschung. Weite Bereiche der Kriminalität wie zum Beispiel Gewaltdelikte, Einbruchsdiebstähle oder Vandalismus sind in konkreten geographischen Räumen verortet. Kriminalität ist in Großstädten häufiger und stark auf bestimmte Stadtviertel und Mikro-Räume konzentriert. Warum leiden einige Städte und Wohngebiete unter einer hohen Kriminalitätsbelastung, und wie wirkt sich Kriminalität auf den sozialen Zusammenhalt und die weitere Entwicklung von Stadtvierteln aus? Wir wenden innovative Ansätze zur Erforschung der Ursachen und Folgewirkungen von Kriminalität in räumlichen Kontexten an und betrachten unterschiedliche Ebenen, von städtischen Mikro-Räumen und Stadtvierteln bis zu größeren gesellschaftlichen Kontexten.
Forschungsthemen
Stadtviertel sind sehr unterschiedlich von Kriminalität und Unordnung betroffen. Eine lange Forschungstradition in der Kriminologie untersucht die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen soziodemographischen Strukturen, kollektiven sozialen Prozessen und Kriminalität in urbanen Räumen. Gemäß dem „systemischen Modell“ sind soziale Ungleichheiten und Segregation mit sozialem Zusammenhalt und informeller Sozialkontrolle verbunden, die wiederum im Zusammenhang mit Kriminalität stehen. Subjektive Wahrnehmungen von Unordnung und Unsicherheit, Zufriedenheit mit dem Wohngebiet ebenso wie interethnische Beziehungen sind wichtige soziale Mechanismen, die die Resilienz und Entwicklung urbaner Nachbarschaften mitbestimmen.
Wir beteiligen uns an dieser Forschung mit einer Langzeitstudie in 140 Stadtvierteln in Köln und Essen, in denen wir wiederholte Bewohnerbefragungen durchführen und diese mit Daten einer systematischen sozialen Beobachtung von Unordnung sowie Struktur- und Kriminalitätsdaten verbinden.
Die zunehmende Verfügbarkeit georeferenzierter digitaler Daten ermöglicht die Erforschung der Heterogenität von Kriminalitätsphänomenen in sehr kleinen räumlichen Maßstäben. Zu den für die Kriminologie interessanten ‚Big Data‘ gehören polizeiliche Notrufdaten ebenso wie Social Media- und Mobiltelefondaten. Allerdings bedeutet die Kriminalitätsanalyse in Mikro-Räumen eine Herausforderung sowohl für die Theoriebildung als auch für die statistische Modellierung. Die gegenwärtige Environmental Criminology bevorzugt die Theorie der Routineaktivitäten einseitig auf Kosten stärker ausgewogener Theorieansätze. Auf der methodischen Seite wurden ‘Egohoods’ als ein innovativer Ansatz entwickelt, um räumliche Effekte dort zu modellieren, wo Kriminalität sich wirklich ereignet, anstatt größere Stadtviertel zu untersuchen, wie es in der kriminologische Forschung seit Jahrzehnten üblich ist.
Unsicherheitswahrnehmungen sind komplexe soziale Kognitionen, die auf unterschiedlichen Ebenen von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen und sozialräumlichen Bedingungen bis hin zu makrogesellschaftlichen Kontexten geprägt werden. Neben der konkreten Furcht, Opfer von Straftaten zu werden, spielen auch die „expressiven“ Funktionen von Kriminalitätsfurcht als Ausdruck allgemeiner Sorgen eine wichtige Rolle. Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass nationale Wohlfahrtsregimes einen großen Teil der Varianz in der Kriminalitätsfurcht zwischen Ländern erklären können. Wir bauen diesen Forschungsansatz aus, indem Länderunterschiede nicht nur im Querschnitt betrachten, sondern den Einfluss von Veränderungen sozio-ökonomischer Bedingungen auf die Kriminalitätsfurcht vor dem Hintergrund der Finanzkrise mit Daten des European Social Survey untersuchen.
Projekte und Publikationen
Janssen, H. J., Oberwittler, D., & Koeber, G. (2020). Victimization and Its Consequences for Well-Being : A Between- and Within-Person Analysis. Journal of Quantitative Criminology. doi:10.1007/s10940-019-09445-6
[Item] [File 1][Locator 1]Janssen, H. J., Oberwittler, D., & Gerstner, D. (2019). Dissecting Disorder Perceptions: Neighborhood Structure and the Moderating Role of Interethnic Contact and Xenophobic Attitudes. International Criminal Justice Review. doi:10.1177/1057567719896020
[Item] [Locator 1]Gerstner, D., Wickes, R., & Oberwittler, D. (2019). Collective Efficacy in Australian and German Neighborhoods : Testing Cross-Cultural Measurement Equivalence and Structural Correlates in a Multi-level SEM Framework. Social Indicators Research , 144(3), 1151–1177. doi:10.1007/s11205-019-02081-4
[Item] [File 1][Locator 1]Oberwittler, D. (2018). Stadtstruktur und Kriminalität. In D. Hermann & A. Pöge (Eds.), Kriminalsoziologie. Handbuch für Wissenschaft und Praxis (pp. 317–336). Baden-Baden: Nomos.
[Item] [File 1][Locator 1]Oberwittler, D. (2018). Jugendkriminalität in sozialen Kontexten : zur Rolle von Wohngebieten und Schulen bei der Verstärkung von abweichendem Verhalten Jugendlicher. In B. Dollinger & H. Schmidt-Semisch (Eds.), Handbuch Jugendkriminalität: Interdisziplinäre Perspektiven (3. Aufl.) (pp. 297–316). Wiesbaden: Springer VS. doi:10.1007/978-3-531-19953-5_15
[Item] [File 1][Locator 1]Oberwittler, D., Janssen, H. J., & Gerstner, D. (2017). Unordnung und Unsicherheit in großstädtischen Wohngebieten : die überschätzte Rolle von “Broken Windows” und die Herausforderungen ethnischer Diversität. Soziale Probleme, 28(2), 181–205. doi:10.1007/s41059-017-0040-9
[Item] [File 1][Locator 1]Oberwittler, D., Gerstner, D., & Janssen, H. J. (2016). Ergebnisse der SENSIKO-Studie zur Sicherheitslage und Sicherheitswahrnehmung im Alter Projektberichte (working papers) SENSIKO – Sicherheit älterer Menschen im Wohnquartier.
[Item] [File 1]Pritsch, J., & Oberwittler, D. (2016). Kriminalitätsfurcht in Deutschland – Kontexteffekte auf ein individuelles Empfinden. In C. Birkel, D. Hummelsheim-Doss, N. Leitgöb-Guzy, & D. Oberwittler (Eds.), Opfererfahrungen und kriminalitätsbezogene Einstellungen in Deutschland. Vertiefende Analysen des Deutschen Viktimisierungssurvey 2012 unter besonderer Berücksichtigung des räumlichen Kontextes (pp. 137–169) Polizei + Forschung. Wiesbaden: Bundeskriminalamt.
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D., & Gerstner, D. (2016). Kriminalitätsfurcht in großstädtischen Wohngebieten : wie sozialräumliche Bedingungen die Unsicherheitswahrnehmungen beeinflussen. In P. Zoche, S. Kaufmann, & H. Arnold (Eds.), Grenzenlose Sicherheit? Gesellschaftliche Dimensionen der Sicherheitsforschung (pp. 95–116) Zivile Sicherheit. Schriften zum Fachdialog Sicherheitsforschung. Berlin: Lit-Verlag.
[Item]Birkel, C., & Oberwittler, D. (2016). Eine Mehrebenenanalyse von Opfererlebnissen in Deutschland. In C. Birkel, D. Hummelsheim-Doss, N. Leitgöb-Guzy, & D. Oberwittler (Eds.), Opfererfahrungen und kriminalitätsbezogene Einstellungen in Deutschland. Vertiefende Analysen des Deutschen Viktimisierungssurvey 2012 unter besonderer Berücksichtigung des räumlichen Kontextes (pp. 95–136) Polizei + Forschung. Wiesbaden: Bundeskriminalamt.
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D. (2013). Wohnquartiere und Kriminalität : Überblick über die Forschung zu den sozialräumlichen Dimensionen urbaner Kriminalität. In D. Oberwittler, S. Rabold, & D. Baier (Eds.), Städtische Armutsquartiere – Kriminelle Lebenswelten? Studien zu sozialräumlichen Kontexteffekten auf Jugendkriminalität und Kriminalitätswahrnehmungen (pp. 45–95). Wiesbaden: Springer VS. doi:10.1007/978-3-531-93244-6_2
[Item] [File 1][Locator 1]Oberwittler, D., Rabold, S., & Baier, D. (Eds.). (2013). Städtische Armutsquartiere – Kriminelle Lebenswelten? Studien zu sozialräumlichen Kontexteffekten auf Jugendkriminalität und Kriminalitätswahrnehmungen. Wiesbaden: Springer VS. doi:10.1007/978-3-531-93244-6
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D., & Gerstner, D. (2011). Kriminalgeographie Baden-Württembergs (2003-2007) : Sozioökonomische und räumliche Determinanten der registrierten Kriminalität (Vol. A 6) Arbeitsberichte aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Freiburg i. Br.: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht.
[Item] [File 1][File 2]Gerstner, D., & Oberwittler, D. (2011). Soziale Desorganisation und Gelegenheitsstrukturen : Differenzielle Wirkungen struktureller Bedingungen auf tatort- und wohnortbezogene Kriminalitätsbelastungen in den baden-württembergischen Gemeinden. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 94(3), 149–177. doi:10.1515/mks-2011-940301
[Item] [Locator 1]Hummelsheim, D., Hirtenlehner, H., Jackson, J., & Oberwittler, D. (2011). Social Insecurities and Fear of Crime : a Cross-National Study on the Impact of Welfare State Policies on Crime-Related Anxieties. European Sociological Review, 27(3), 327–345. doi:10.1093/esr/jcq010
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D., & Wikström, P.-O. (2009). Why small is better : Advancing the study of the role of behavioral contexts in crime causation. In D. Weisburd, W. Bernasco, & G. Bruinsma (Eds.), Putting crime in its place : Units of analysis in geographic criminology (pp. 33–58). New York: Springer. doi:10.1007/978-0-387-09688-9_2
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D. (2008). The effects of neighbourhood poverty on adolescent problem behaviour : a multi-level analysis differentiated by gender and ethnicity. In J. Blasius, J. Friedrichs, & G. Galster (Eds.), Quantifying Neighbourhood Effects. Frontiers and perspectives. London: Routledge.
[Item]Oberwittler, D. (2008). Armut macht Angst : Ansätze einer sozialökologischen Interpretation der Kriminalitätsfurcht. In A. Groenemeyer & S. Wieseler (Eds.), Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. Realitäten, Repräsentationen und Politik. Festschrift für Günter Albrecht (pp. 215–230). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[Item]Ceccato, V., & Oberwittler, D. (2008). Comparing spatial patterns of robbery : Evidence from a Western and an Eastern European city. Cities, 25, 185–196.
[Item]Oberwittler, D. (2007). The Effects of Ethnic and Social Segregation on Children and Adolescents : Recent Research and Results from a German Multilevel Study (Discussion Paper Nr SP IV 2007-603).
[Item] [File 1]Friedrichs, J., & Oberwittler, D. (2007). Soziales Kapital in Wohngebieten. In A. Franzen & M. Freitag (Eds.), Sozialkapital (pp. 450–486) Special Issue 47 of Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[Item]Oberwittler, D. (2007). The effects of neighbourhood poverty on adolescent problem behaviour : A multi-level analysis differentiated by gender and ethnicity. Frontiers of Quantifying Neighbourhood Effects, 781–803.
[Item]Oberwittler, D. (2004). A Multilevel Analysis of Neighbourhood Contextual Effects on Serious Juvenile Offending : The Role of Subcultural Values and Social Disorganization. European journal of criminology: the journal of the European Society of Criminology, 1(2), 201–235. doi:10.1177/1477370804041248
[Item] [Locator 1]Oberwittler, D. (2004). Stadtstruktur, Freundeskreise und Delinquenz : eine Mehrebenenanalyse zu sozialökologischen Kontexteffekten auf schwere Jugenddelinquenz. In D. Oberwittler (Ed.), Soziologie der Kriminalität (pp. 135–170) Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderhefte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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